Wie sich die EU das Zugfahren in der Zukunft vorstellt Von Ansgar Haase, dpa

05.11.2025 14:37

Die Reisezeiten bei Zugfahrten zwischen europäischen Metropolen
sollen nach dem Willen der EU-Kommission bis spätestens 2040
drastisch sinken. Spielen die Bahnunternehmen mit?

Brüssel (dpa) - Mit dem Zug von Berlin nach Kopenhagen in vier statt
sieben Stunden, von München nach Rom in sechs statt neuneinhalb
Stunden: Mit einem neuen Aktionsplan für den
Hochgeschwindigkeitsverkehr will die Europäische Kommission
Bahnreisen durch Europa bis spätestens 2040 deutlich schneller,
einfacher und attraktiver machen. Kann das trotz des derzeit noch
maroden Bahnnetzes in Ländern wie Deutschland klappen? Fragen und
Antworten im Überblick:

Warum hat die EU-Kommission den Plan erstellt?

Die Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen sieht schnelle
Zugverbindungen als zentrale Säule des klimafreundlichen Verkehrs in
Europa. Jeder Fahrgast, der künftig statt ins Flugzeug in den Zug
steigt, spart Kohlenstoffdioxid ein. Schnellere und komfortablere
Bahnverbindungen sollen Kurzstreckenflüge überflüssig machen und
lange Fahrten mit dem Auto reduzieren. Der zuständige EU-Kommissar
Apostolos Tzitzikostas sagt: «Mit schnelleren, besser vernetzten
Bahnstrecken und klimafreundlichen Kraftstoffen machen wir Europas
Verkehrssystem sauberer, widerstandsfähiger und erschwinglicher.»

Welche Verbindungen sollen besser werden?

Die EU-Kommission nennt in ihrem Plan etliche Beispiele dafür, wie
stark sich die Fahrzeiten verkürzen könnten. Darunter sind etwa
folgende Verbindungen:

* Berlin-Kopenhagen: 4 statt 7 Stunden
* Berlin-Wien (über Prag): 4,5 statt mehr als 8 Stunden
* München-Rom: 6 statt 9,5 Stunden
* Madrid-Lissabon: 3 statt 9 Stunden
* Sofia- Athen: 6 statt mehr als 13 Std. 40 Min.
* Tallin-Riga: 1 Std. 45 Min. statt derzeit 6 Std. 10 Min.

Bis 2030 sollten zudem alle großen EU-Flughäfen, die mehr als zwölf
Millionen Fluggäste abfertigen, an den Fern- oder
Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr angeschlossen sein.

Die Kommission will außerdem dafür sorgen, dass Tickets für
internationale Bahnreisen leichter buchbar werden. Ab 2026 soll es
eine neue EU-Verordnung leichter machen, grenzüberschreitende
Fahrkarten unterschiedlicher Anbieter auf einer Plattform zu kaufen -
ähnlich wie bei Flugbuchungen. Auch die Fahrgastrechte, die zum
Beispiel bei Verspätungen einen Anspruch auf Entschädigung
garantieren, könnten gestärkt werden.

Werden Bahnreisen günstiger?

In Ländern wie Spanien und Italien hat die Öffnung des Marktes für
neue Anbieter nach Angaben der Kommission bereits zu stark gesunkenen
Ticketpreisen und einem Anstieg der Passagierzahlen geführt. Genau
das soll nun auch für andere Länder erreicht werden. Mehr Wettbewerb
und faire Marktbedingungen sollen Bahntickets erschwinglicher machen.
Die EU will Barrieren für neue Anbieter abbauen - etwa beim Zugang zu
Bahnhöfen, Wartungsdepots oder Buchungssystemen - und dafür sorgen,
dass Trassennutzungsgebühren auf einem wettbewerbsfähigen Niveau
bleiben.

Was wird das Projekt kosten und woher soll das Geld kommen?

Der Aufbau des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes ist ein
Jahrhundertprojekt. Bis 2040 rechnet die Kommission mit Kosten von
rund 345 Milliarden Euro, bis 2050 könnten es sogar bis zu 546
Milliarden Euro werden, wenn Reisegeschwindigkeiten von mehr als 250
km/h angepeilt werden. Neben privaten Investitionen und öffentlichen
Mitteln aus den Mitgliedstaaten sollen deswegen auch EU-Fördermittel
mobilisiert werden. Zudem könnte es Kredite und Garantien von
Finanzinstitutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) und
nationalen Förderinstitutionen geben.

Ein geplanter «High-Speed Rail Deal» soll Finanzierungszusagen ab
2026 bündeln. Nach EU-Angaben wurden bereits in der Vergangenheit
erfolgreich Bahnprojekte aus Brüssel unterstützt. In Italien wurde
etwa der Ausbau der Strecke Palermo-Catania durch EU-Garantien
abgesichert, in Portugal wurde das Projekt Lissabon-Porto durch eine
Kombination aus EU-Zuschüssen und EIB-Darlehen ermöglicht.

Um Bahnunternehmen zur Umsetzung der Pläne zu bewegen, will die
EU-Kommission noch bestehende Hindernisse im grenzüberschreitenden
Bahnverkehr abbauen. Rahmenbedingungen für Bahnindustrie und
Betreiber sollen verbessert sowie Forschung und Innovation gefördert
werden.

Was hält die Deutsche Bahn von dem Brüsseler Plan?

Die DB bezeichnet ihn als entscheidend für ein weiteres Wachstum des
internationalen Fernverkehrs. Konkret werden dabei insbesondere der
weitere Ausbau der Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur und deren
Finanzierung, harmonisierte Vorschriften für den
grenzüberschreitenden Bahnbetrieb und faire Wettbewerbsbedingungen
für alle Verkehrsmittel genannt. 

«Die DB unterstützt das ausdrücklich und wird die von der
EU-Kommission angekündigten konkreten Maßnahmen in den nächsten
Jahren konstruktiv begleiten», sagte eine Sprecherin. Ihren Angaben
zufolge bietet die DB bereits heute täglich mehr als 300
grenzüberschreitende Verbindungen an. So seien mehr als 200
europäische Städte in 14 europäischen Ländern direkt von Deutschlan
d
aus erreichbar. Mehr als 65.000 Fahrgäste nutzten diese Zugfahrten im
internationalen Fernverkehr pro Tag.