EU- und Nato-Kritiker wird Parlamentspräsident in Tschechien

05.11.2025 19:38

Sogar sein Bruder warnt vor einer «ernsten Gefahr für die
Sicherheit». Dennoch steht Tomio Okamura nun an der Spitze des Prager
Abgeordnetenhauses.

Prag (dpa) - Das neue Abgeordnetenhaus in Tschechien hat den
entschiedenen EU- und Nato-Kritiker Tomio Okamura zum
Parlamentspräsidenten gewählt. Der Gründer der ultrarechten Partei
Freiheit und direkte Demokratie (SPD) erhielt 107 Stimmen. Er schlug
damit den christdemokratischen Gegenkandidaten Jan Bartosek, für den
81 Abgeordnete votierten. 

Pikant ist, dass ein Gericht die Aufhebung der Immunität Okamuras
beantragt hat, um gegen ihn ein Verfahren wegen Volksverhetzung
eröffnen zu können. In dem Fall geht es um eine frühere Wahlkampagne

mit mutmaßlich rassistischen Inhalten. Auf Plakaten war ein
blutüberströmter Schwarzer mit einem langen Messer neben der
Forderung «Stopp dem Migrationspakt der EU» abgebildet.

Rechtes Dreierbündnis in Tschechien

Okamura wurde von der rechtspopulistischen ANO des Wahlsiegers Andrej
Babis und der Autofahrerpartei Motoristen unterstützt. Die drei
Parteien verfügen über eine Mehrheit in der wichtigeren der beiden
Parlamentskammern und wollen künftig gemeinsam regieren. Erforderlich
ist dafür allerdings die Bereitschaft des liberalen Präsidenten und
Ex-Nato-Generals Petr Pavel, die neue Regierung in dieser Form zu
ernennen. Seine Entscheidung wird mit Spannung erwartet.

Gegen die Wahl Tomio Okamuras zum Parlamentspräsidenten stellte sich
sein eigener Bruder. Der fünf Jahre ältere Hayato Okamura sitzt für
die Christdemokraten im Abgeordnetenhaus. In einer emotionalen Rede
sprach er von einer «ernsten Gefahr für die Sicherheit» des Landes.
Der scheidende konservative Innenminister Vit Rakusan sprach von
einer «internationalen Schande» für sein Land und warnte vor
irreparablen Schäden. 

Kritik an Nato-Mitgliedschaft und Ukraine-Unterstützung

Im Wahlkampf hatte Okamura ein Referendum über den Austritt aus der
Nato gefordert. Er drohte Ukrainern, die nicht arbeiten, mit dem
Verlust des Aufenthaltstitels. Der 53-Jährige kam in Tokio als Sohn
eines Japaners und einer Tschechin zur Welt, lebt aber seit seiner
Kindheit in Europa.