Supreme Court prüft Trumps Zölle Von Anna Ringle und Johanna Hänsel, dpa

05.11.2025 22:09

Darf der US-Präsident Zölle im Alleingang verhängen? Das höchste
Gericht der USA befasst sich mit Trumps Handelspolitik. Hat er sich
zu Unrecht auf ein Gesetz gestützt und das Parlament übergangen?

Washington (dpa) - Der Supreme Court überprüft die Zollpolitik von
US-Präsident Donald Trump. Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit hat
der Republikaner gegen zahlreiche Länder Zölle verhängt, auch gegen
importierte Waren aus der EU. Jetzt klärt das oberste Gericht, ob das
Vorgehen der US-Regierung juristisch einwandfrei war. 

Die mündliche Anhörung vor Gericht dauerte knapp drei Stunden. Der
Fall gilt als einer der wichtigsten wirtschafts- und außenpolitischen
Prozesse in Trumps zweiter Amtszeit.

Worum geht es genau?

Es geht weniger um die Frage, ob solche Zölle verhängt werden dürfen,

sondern wer das tun darf. Der Fokus dieses Falls liegt darauf, dass
laut Verfassung der US-Kongress - das Parlament - normalerweise das
alleinige Steuer- und Zollrecht besitzt. 

Die US-Regierung umging diese Instanz für ihre aggressive Zollpolitik
mit Berufung auf ein Notstandsgesetz aus dem Jahre 1977, genannt
IEEPA. Unter diesem Gesetz kann der Präsident im Krisenfall selbst
Dekrete erlassen, ohne dass das Parlament angerufen werden muss.

Trump sah den Notstand im Land als erfüllt an: Es habe ein
Ungleichgewicht im internationalen Handel zulasten der USA gegeben.
Die USA seien unfair behandelt worden und die nationale Sicherheit
sei dadurch gefährdet gewesen.

Warum verhandelt der Supreme Court überhaupt den Fall?

Verschiedene Gruppierungen, darunter amerikanische Kleinunternehmen
und US-Bundesstaaten, hatten den Fall vor Gerichte unterer Instanzen
gebracht. Dort wurde mehrmals entschieden, dass Trump nicht die
Befugnis gehabt habe, unter Berufung auf dieses spezielle
Notstandsgesetz breit angelegte Zölle gegen mehr als 100 Länder
weltweit zu verhängen. 

Trump ging gegen diese Urteile in Berufung, deshalb blieben die Zölle
vorerst bestehen. Dann kam der Supreme Court ins Spiel, das höchste
Gericht der USA, dass nun erstmals grundsätzlich entscheiden soll, ob
Trump den IEEPA tatsächlich für flächendeckende Zollerhebungen nutzen

darf. Eine Entscheidung wird in den kommenden Wochen oder Monaten
erwartet.

Nimmt Trump an der Verhandlung teil?

Nein, er war am Mittwoch in Miami. An seiner Stelle soll
Finanzminister Scott Bessent an der Anhörung teilgenommen haben.
Dennoch setzte Trump schon vorab den Ton: Es handele sich um einen
der wichtigsten Fälle, die der Supreme Court je für Amerika behandelt
habe, er warnte vor «wirtschaftlicher Verwüstung», falls das Gericht

ihm die Notfallbefugnisse entziehe.

Wie argumentieren beide Seiten vor Gericht?

Die Regierungsseite vertrat die Ansicht, das Notstandsgesetz erlaube
dem Präsidenten bei wirtschaftlichen Notlagen, den Import von Waren
zu «regulieren» - und dazu gehörten aus Sicht der Regierung auch
Zölle, weil sie andere Staaten unter Druck setzen sollen und
idealerweise gar kein Geld einbringen, sondern Handel umlenken oder
ausländische Regierungen zu Verhandlungen zwingen. Dass die Zölle in
diesem Fall Einnahmen erzeugen, sei nur ein Nebeneffekt.

Die Gegenseite erklärte, Zölle seien faktisch primär Steuern - und
Steuern dürfe in den USA nur der Kongress beschließen, nicht der
Präsident allein. Das Notstandsgesetz sei für Sanktionen, Embargos
oder Lizenzpflichten gedacht, nicht für weitreichende Handelsabgaben
gegenüber Dutzenden Ländern.

Mehrere Richter fragten kritisch, warum Trump dem Notstandsgesetz
zufolge zwar den Handel komplett stoppen dürfte, aber nach Auffassung
der Trump-Gegner keinen Prozent Zoll erheben dürfe - worauf deren
Anwälte entgegneten: Ein kompletter Importstopp bringe kein Geld ein,
Zölle sehr wohl. Und gerade weil sie Einnahmen erzeugen, müsse das
Parlament darüber entscheiden.

Zugleich äußerten auch konservative, von Trump ernannte Richter
Zweifel an der Argumentation der Regierung. Sie wollten wissen, warum
plötzlich fast alle wichtigen Handelspartner - von Spanien und
Frankreich bis zur Schweiz - als Gefahr für die nationale Sicherheit
gelten sollen. Richterin Amy Coney Barrett fragte, ob es wirklich die
Auffassung der Regierung sei, dass «jedes einzelne Land» ein
Sicherheitsrisiko darstelle. Richter Neil Gorsuch warnte zudem vor
einer «Einbahnstraße», bei der immer mehr Macht vom Kongress zum
Präsidenten wandert, wenn ein solch breiter Notstandsbegriff
akzeptiert werde.

Was steht auf dem Spiel?

Für Trump sind Zölle zum zentralen Element seiner Amtszeit geworden.
Bei einer Niederlage müsste die Regierung ihre Zollpolitik
zurücknehmen, das könnte bestehende Handelsabkommen infrage stellen
und auch einen Einfluss auf das öffentliche Image seiner
Administration weltweit haben. Möglicherweise wäre die Regierung dann
auch verpflichtet, Milliarden Dollar an Importfirmen zurückzuzahlen.
Viele Unternehmen, deren Kosten durch die Zölle rapide gestiegen
sind, haben nach US-Medien weltweit die Anhörung verfolgt.

Noch ist offen, was konkret folgen würde, sollte der Supreme Court
zugunsten der Kläger entscheiden. Auch die potenziellen Auswirkungen
des Falls auf die EU und damit auch die Zölle, die deutsche Importe
in die USA betreffen, sind unklar. Eine Richterin bohrte selbst bei
einem der klagenden Anwälte nach, wie denn seiner Meinung nach
Rückerstattungen bei rechtswidrigen Zöllen praktisch abgewickelt
werden würden, betonend, dass das ein «ziemliches Chaos» werden
könnte. 

Was sind denkbare Folgen?

Falls das Gericht das Notstandsgesetz als juristische Argumentation
nicht anerkennt, könnte die Regierung versuchen, ihre Argumentation
zu verändern und sich auf andere Gesetze berufen, um die Zölle
aufrechtzuerhalten. Die Frage ist auch, wie es sich mit Fällen
verhält, bei denen die US-Regierung mit anderen Ländern
Handelsabkommen vereinbart hat, die Zölle beinhalten. Möglich ist
auch, dass sich das Urteil nur auf einen bestimmten Zeitraum beziehen
könnte, in dem Trump Zölle verhängt hat. Ursprünglich hatten sich d
ie
Vorinstanzen mit den erstmals Anfang April angekündigten
länderspezifischen Zöllen befasst, die Dutzende Handelspartner der
USA betreffen.

Wann gibt es ein Urteil?

Das ist unklar. Ein Urteil könnte es bald, aber auch erst im nächsten
Jahr geben. Auf dpa-Nachfrage hieß es vom Supreme Court, dass das
Gericht generell eine Entscheidung innerhalb einer laufenden
Prozessperiode anstrebe, in der die Verhandlung eines Verfahrens
stattfindet. Die aktuelle Periode begann im Herbst und endet im
nächsten Sommer.