Lettland: Erneute Proteste gegen Austritt aus Frauenschutz-Abkommen
06.11.2025 19:58
In Lettland hat das Parlament den Austritt aus der
Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen durchgesetzt. Nach
Protesten stoppte der Staatschef das Ansinnen, die Bevölkerung
demonstriert weiter.
Riga (dpa) - In Lettlands Hauptstadt Riga sind erneut Tausende
Menschen gegen einen möglichen Ausstieg des baltischen EU-Landes aus
der sogenannten Istanbul-Konvention auf die Straße gegangen. Mit
Plakaten, Sprechchören und Liedern forderten die Demonstranten den
Verbleib Lettlands im Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
Nach Polizeiangaben nahmen mindestens 10.000 Menschen an der
Kundgebung auf dem Domplatz teil. Damit war es eine der größten
Demonstrationen der vergangenen Jahre in Lettland. Auch in anderen
Städten und vor lettischen Botschaften im Ausland sollten Proteste
gegen den Rückzug aus der Konvention stattfinden.
Lettlands Parlament hatte den Ausstieg in der Vorwoche mehrheitlich
beschlossen. Dagegen hatte Präsident Edgars Rinkevics aber sein Veto
eingelegt - und den Beschluss zur erneuten Beratung an die
Abgeordneten zurückverwiesen. Zuvor hatte es wiederholt
Demonstrationen gegen den geplanten Austritt gegeben und eine
entsprechende Petition wurde von Zehntausenden Menschen
unterzeichnet. Auch Botschafter mehrerer EU-Länder - darunter
Deutschland - äußerten ihre Besorgnis.
Entscheidung aufgeschoben statt aufgehoben
Nach der verweigerten Zustimmung des Präsidenten entschied das
Parlament in Riga am Mittwoch, die Beratungen über die
Istanbul-Konvention auf die Zeit nach den turnusgemäßen
Parlamentswahlen im Oktober 2026 zu verschieben. Damit wird sich erst
die neugewählte Volksvertretung wieder mit der Frage beschäftigen, ob
Lettland sich weiter zu dem Abkommen bekennt oder daraus aussteigt.
Nach Einschätzung von Beobachtern dürfte das Thema aber in der
öffentlichen Debatte und im Wahlkampf weiter eine Rolle spielen.
Gegner sehen durch das Vertragswerk eine Ideologie gefördert, die
traditionelle Familienwerte in Lettland untergrabe.
Frauenrechtsorganisation dagegen befürchten, dass die Aufkündigung
den Schutz von Frauen und die Bemühungen um die Gleichstellung der
Geschlechter schwächt.
Lettland hatte die 2011 ausgearbeitete Konvention nach langer Debatte
erst im Vorjahr ratifiziert - sie war am 1. Mai 2024 in dem
Baltenstaat in Kraft getreten. Der Ostseestaat wäre das erste
EU-Land, das sich aus dem Übereinkommen zurückzieht.
