EU-Migrationsanalyse: Deutschland in Risikogruppe Von Ansgar Haase, dpa

11.11.2025 17:28

Deutschland kann sich voraussichtlich bis mindestens Ende 2026 gegen
zusätzliche Flüchtlings-Aufnahmeforderungen wehren. Ein Bericht aus
Brüssel stuft die Bundesrepublik zudem als gefährdet ein.

Brüssel (dpa) - Deutschland kann beantragen, dass es unter dem neuen
EU-Solidaritätsmechanismus bis Ende 2026 keine zusätzlichen Migranten
aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen muss. Das geht nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus einer Analyse von
EU-Innenkommissar Magnus Brunner zum sogenannten Solidaritätspool
hervor, der Staaten mit hohem Migrationsdruck im Zuge der
EU-Asylreform entlasten soll. Deutschland kann sich demnach darauf
berufen, dass es sich bereits um sehr viele Asylbewerber kümmert, für
die eigentlich andere EU-Staaten zuständig wären.

Auch andere Solidaritätsbeiträge wie Geld- oder Sachleistungen wären

demnach von deutscher Seite nicht notwendig. Diese können theoretisch
von unterstützungspflichtigen EU-Staaten geleistet werden, die keine
Flüchtlinge aufnehmen wollen. 

Als Länder, die im kommenden Jahr wegen eines hohen Migrationsdrucks
Anrecht auf Solidarität anderer EU-Staaten haben, stuft die
Kommission in ihrer Analyse Griechenland und Zypern sowie Spanien und
Italien ein. Griechenland und Zypern stehen demnach wegen
unverhältnismäßig vieler Ankünfte im vergangenen Jahr unter Druck,

Spanien und Italien aufgrund zahlreicher Seenotrettungen.

Deutschland wird gemeinsam mit Staaten wie Belgien, Frankreich und
den Niederlanden zu der Gruppe von Ländern gerechnet, die im
kommenden Jahr Gefahr laufen könnten, aufgrund hoher Ankunftszahlen
oder Belastungen der Aufnahmesysteme unter hohen Migrationsdruck zu
kommen. Österreich, Polen, Bulgarien, Tschechien, Estland und
Kroatien befinden sich nach Einschätzung der Kommission in einer
ausgeprägten Migrationslage. Dies bedeutet, dass sie aufgrund der
kumulierten Belastungen der vergangenen fünf Jahre beantragen können,
von Solidaritätspflichten ganz oder teilweise befreit zu werden.

EU-Innenkommissar sieht bereits Erfolge von neuer Migrationspolitik

EU-Innenkommissar Magnus Brunner erklärte zu den Ergebnissen der
Analyse, es sei offensichtlich, dass Deutschland schon vor dem
Inkrafttreten des neuen Asylpakts einen großen Teil dieser
Solidarität getragen habe. Die Bundesrepublik werde daher erheblich
von der Reform des Asyl- und Migrationssystems profitieren -
insbesondere durch die neuen Aufgaben der Mitgliedstaaten an den
Außengrenzen. Dazu gehörten die Registrierung von Neuankommenden, die
Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen und das neue
Grenzverfahren. Letzteres sieht vor, dass bestimmte Migranten künftig
nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng
kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen könnten.

Grundsätzlich betonte Brunner, dass die strengere Asylpolitik bereits
heute Wirkung zeige. «Die illegale Migration ist im vergangenen Jahr
um 35 Prozent zurückgegangen», sagte er.

Der nun erstmals vorgelegte Bericht gilt als ein entscheidender
Schritt bei der Umsetzung der Reform des europäischen Asylsystems
(GEAS), die auch einen Solidaritätsmechanismus zur Entlastung von
besonders von Migration betroffenen Mitgliedstaaten enthält. Für ihn
berücksichtigte die EU-Kommission verschiedenste Kennzahlen - etwa,
wie viele illegale Grenzübertritte, Bootsrettungen oder Asylanträge
ein Land registriert sowie die wirtschaftliche Leistungskraft und
Bevölkerungszahl eines Landes. 

Besonders belasteten Ländern steht nach GEAS die Solidarität anderer
Mitgliedsstaaten zu, indem diese entweder Migranten aufnehmen oder
einen finanziellen Beitrag leisten. Solidarität kann demnach aber
auch geleistet werden, indem EU-Staaten Projekte gegen illegale
Migration in Drittstaaten fördern oder Material zur Verfügung
stellen.

Das Ziel des Ausgleichs: Flüchtlinge sollen in dem Land bleiben, in
dem sie ankommen und nicht etwa nach Deutschland weiter fliehen.
Staaten wie Griechenland oder Italien sollen zudem an den
Außengrenzen beschleunigte Asylverfahren abwickeln. Dafür sollen die
EU-Länder, in denen die meisten Migranten ankommen, dann entlastet
werden. Für diesen Solidaritätsmechanismus bildet der Bericht der
EU-Kommission die entscheidende Grundlage.

Über die Vorschläge der EU-Kommission für den sogenannten
Solidaritätspool müssen nun die Mitgliedstaaten beraten. Sie haben
dafür auch detaillierte Zahlen bekommen, die von der EU-Kommission
nicht öffentlich gemacht wurden.