EU-Analyse: Deutschland muss nicht mehr Migranten aufnehmen Von Ansgar Haase, dpa

11.11.2025 19:52

Deutschland kann sich voraussichtlich gegen zusätzliche
Flüchtlings-Aufnahmeforderungen wehren. Ein Bericht aus Brüssel stuft
die Bundesrepublik zudem als gefährdet ein.

Brüssel (dpa) - Deutschland kann verlangen, dass es unter dem neuen
EU-Solidaritätsmechanismus bis mindestens Ende 2026 keine
zusätzlichen Migranten aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen muss.
Das geht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus einer
Analyse von EU-Innenkommissar Magnus Brunner zum sogenannten
Solidaritätspool hervor, der Staaten mit hohem Migrationsdruck im
Zuge der EU-Asylreform entlasten soll.

Deutschland kann sich demnach darauf berufen, dass es sich bereits um
sehr viele Asylbewerber kümmert, für die eigentlich andere EU-Staaten
zuständig wären. Auch andere Solidaritätsbeiträge wie Geld- oder
Sachleistungen wären demnach von deutscher Seite nicht notwendig.
Diese können theoretisch von unterstützungspflichtigen EU-Staaten
geleistet werden, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. 

Als Länder, die im kommenden Jahr wegen eines hohen Migrationsdrucks
Anrecht auf Solidarität anderer EU-Staaten haben, stuft die
Kommission in ihrer Analyse Griechenland und Zypern sowie Spanien und
Italien ein. Griechenland und Zypern stehen demnach wegen
unverhältnismäßig vieler Ankünfte im vergangenen Jahr unter Druck,

Spanien und Italien aufgrund zahlreicher Seenotrettungen.

«Ausgeprägte Migrationslage» in Ländern wie Österreich

Deutschland wird gemeinsam mit Staaten wie Belgien, Frankreich und
den Niederlanden zu der Gruppe von Ländern gerechnet, die im
kommenden Jahr Gefahr laufen könnten, aufgrund hoher Ankunftszahlen
oder Belastungen der Aufnahmesysteme unter hohen Migrationsdruck zu
kommen. Sie müssen Solidarität leisten, wenn sie sich nicht wie
Deutschland die Bearbeitung von Asylanträgen anrechnen lassen können,
für die sich eigentlich nicht zuständig wären.

Österreich, Polen, Bulgarien, Tschechien, Estland und Kroatien
befinden sich nach Einschätzung der Kommission in einer «ausgeprägten

Migrationslage». Dies bedeutet, dass sie aufgrund der kumulierten
Belastungen der vergangenen fünf Jahre beantragen können, von
Solidaritätspflichten ganz oder teilweise befreit zu werden.

Zu den EU-Staaten, die nach den neuen Regeln wahrscheinlich Migranten
aus anderen Ländern aufnehmen oder andere Solidaritätsbeiträge
leisten müssen, zählen Länder wie Schweden, Portugal, Ungarn,
Rumänien und Luxemburg. Die neuen EU-Regeln sehen vor, dass jährlich
mindestens 30.000 Übernahmen erfolgen sollen beziehungsweise
Finanzbeiträge in Höhe von 600 Millionen Euro geleistet werden
müssen. In kommenden Jahr dürften es allerdings weniger werden, da
der Solidaritätsmechanismus erst Mitte 2026 in Kraft tritt. 

EU-Innenkommissar sieht bereits Erfolge von neuer Migrationspolitik

EU-Innenkommissar Magnus Brunner erklärte zu den Ergebnissen der
Analyse, es sei offensichtlich, dass Deutschland schon vor dem
Inkrafttreten des neuen Asylpakts einen großen Teil dieser
Solidarität getragen habe. Die Bundesrepublik werde daher erheblich
von der Reform des Asyl- und Migrationssystems profitieren -
insbesondere durch die neuen Aufgaben der Mitgliedstaaten an den
Außengrenzen. 

Dazu gehörten die Registrierung von Neuankommenden, die Durchführung
von Sicherheitsüberprüfungen und das neue Grenzverfahren. Letzteres
sieht vor, dass bestimmte Migranten künftig nach einem Grenzübertritt
unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte
Aufnahmeeinrichtungen kommen könnten.

Grundsätzlich betonte Brunner, dass die strengere Asylpolitik bereits
heute Wirkung zeige. «Die illegale Migration ist im vergangenen Jahr
um 35 Prozent zurückgegangen», sagte er.

Der nun erstmals vorgelegte Bericht gilt als ein entscheidender
Schritt bei der Umsetzung der Reform des europäischen Asylsystems
(GEAS), die auch einen Solidaritätsmechanismus zur Entlastung von
besonders von Migration betroffenen Mitgliedstaaten enthält. Für ihn
berücksichtigte die EU-Kommission verschiedenste Kennzahlen - etwa,
wie viele illegale Grenzübertritte, Bootsrettungen oder Asylanträge
ein Land registriert sowie die wirtschaftliche Leistungskraft und
Bevölkerungszahl eines Landes.

Daten werden vorerst unter Verschluss gehalten

Besonders belasteten Ländern steht nach dem neuen Asylsystem die
Solidarität anderer Mitgliedsstaaten zu, indem diese entweder
Migranten aufnehmen oder einen finanziellen Beitrag leisten.
Solidarität kann demnach aber auch geleistet werden, indem EU-Staaten
Projekte gegen illegale Migration in Drittstaaten fördern oder
Material zur Verfügung stellen.

Das Ziel des Ausgleichs: Flüchtlinge sollen in dem Land bleiben, in
dem sie ankommen und nicht etwa nach Deutschland weiter fliehen.
Staaten wie Griechenland oder Italien sollen zudem an den
Außengrenzen beschleunigte Asylverfahren abwickeln. Dafür sollen die
EU-Länder, in denen die meisten Migranten ankommen, dann entlastet
werden. Für diesen Solidaritätsmechanismus bildet der Bericht der
EU-Kommission die entscheidende Grundlage.

Über die Vorschläge der EU-Kommission für den sogenannten
Solidaritätspool müssen nun die Mitgliedstaaten verhandeln. Sie haben
dafür auch detaillierte Zahlen bekommen, die von der EU-Kommission
allerdings entsprechend der Verordnung über das Asyl- und
Migrationsmanagement vorerst nicht öffentlich gemacht werden.
Umgesetzt werden soll das neue Migrations- und Asylpaket ab Mitte
kommenden Jahres.