EU-Parlament stimmt über Lieferkettenrichtlinie ab
12.11.2025 20:35
Vizekanzler Klingbeil fordert: Änderungen am Lieferkettengesetz ohne
Stimmen von Rechtsaußen. Das Vorhaben steht im Europaparlament zur
Abstimmung - und wird zur Belastungsprobe.
Brüssel (dpa) - Das Europaparlament stimmt am Donnerstag über
Änderungen an der EU-Lieferkettenrichtlinie ab. Dabei wird mit
Spannung erwartet, welche Mehrheiten sich finden werden. Nachdem vor
drei Wochen ein erster Kompromiss überraschend geplatzt war, ist nun
- im Gegensatz zu vielen anderen Abstimmungen - noch unklar, welche
Entscheidungen mit welchen Mehrheiten getroffen werden.
Dass der von der EVP-Fraktion, zu der auch CDU und CSU gehört,
Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen ausgehandelte Kompromiss keine
Mehrheit gefunden hatte, sorgte für heftige Kritik. Bundeskanzler
Friedrich Merz (CDU) nannte das Ergebnis eine «fatale
Fehlentscheidung» und forderte eine Korrektur.
Lieferkettenrichtlinie in der Kritik
Das europäische Lieferkettengesetz wurde eigentlich bereits
vergangenes Jahr beschlossen. Ziel ist, Menschenrechte weltweit zu
stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden
können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder
Zwangsarbeit profitieren.
Nach Kritik von Unternehmen sollen Teile der Richtlinie vereinfacht
werden, noch bevor sie angewendet werden. Über diesen Schritt soll
nun das Parlament abstimmen, bevor zusammen mit den EU-Staaten eine
finale Entscheidung getroffen wird.
Klingbeil dringt auf Mehrheit der Mitte
Nach Ansicht von Deutschlands Vizekanzler Lars Klingbeil soll das
Parlament seine Mehrheit ohne Stimmen von Rechtsaußen beschließen.
«Das ist auch die Erwartung, die wir als Bundesregierung haben»,
sagte der SPD-Politiker in Brüssel.
Das Europäische Parlament müsse die Kraft haben, in der
demokratischen Mitte hier eine gemeinsame Position zu finden. «Ich
bin mir mit dem Kanzler auch einig, dass das klappen kann und dass es
klappen soll», ergänzte Klingbeil.
EVP-Vertreter hatten in der Vergangenheit bereits offen darüber
gesprochen, dass auch andere Mehrheiten denkbar wären. Im Parlament
gehen nun einige davon aus, dass die EVP auf Stimmen von rechtsaußen
stehenden Abgeordneten bauen könnte, um ihre Position durchzubringen.
Damit wären deutlich drastischere Änderungen denkbar.
Kritik von Sozialdemokraten und Grünen
Die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini sieht darin ein gefährliches
Spiel der Konservativen um ihren Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber
(CSU). «Zum ersten Mal will die EVP ein Gesetz sehenden Auges mit den
extrem Rechten durchs Plenum bekommen», so Cavazzini.
Belastungsprobe
EVP, Liberale und S&D arbeiten eigentlich in einer Art informeller
Koalition zusammen. Sie haben eine knappe Mehrheit im Parlament und
hatten - mit Unterstützung der Grünen und wohl auch Stimmen der
rechtskonservativen EKR-Fraktion - eine Mehrheit für eine zweite
Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin
sichergestellt.
Aus der S&D heißt es, die EVP verbünde sich mit der extremen Rechten,
um unkontrollierte Deregulierung durchzusetzen. Valérie Hayer,
Fraktionsvorsitzende der Liberalen, teilte mit, dass die Annahme
schlechter Inhalte, die Konservative durchzusetzen versuchten, die
pro-europäische Koalition spalten und einer vergifteten Allianz
zwischen Konservativen und Rechtsextremen den Sieg bescheren würde.
Die Abstimmung wird also zur Belastungsprobe für die informelle
Zusammenarbeit, die genauen Auswirkungen sind im Detail aber nicht
absehbar.
