Aus für das Verbrenner-Aus? Koalition uneinig
13.11.2025 04:30
Der E-Auto-Boom bleibt aus, die Industrie rebelliert: Längst steht
das EU-Verbrenner-Aus ab 2035 wieder auf der Kippe. Die Koalition ist
uneins. Das Klima spielt in dem Streit kaum eine Rolle.
Berlin (dpa) - Der Verkehrssektor verfehlt seit langem die Klimaziele
nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Die EU hat deshalb
beschlossen, dass neue Autos mit Verbrennermotor ab 2035 nicht mehr
zugelassen werden dürfen. So soll der Ausstoß des klimaschädlichen
Kohlenstoffdioxids (CO2) weiter gesenkt werden.
Doch angesichts des schleppenden Hochlaufs der Elektromobilität
erhöht sich der Druck aus der Industrie und der Unionsparteien, den
EU-Beschluss zurückzunehmen. Die Regierung ist in der Frage uneins.
Das Thema könnte heute im Koalitionsausschluss behandelt werden. Ob
dort eine Entscheidung darüber fällt, wie sich Deutschland innerhalb
der EU verhalten soll, ist offen.
Worum geht es beim Verbrenner-Aus?
Die derzeitige Verordnung schreibt vor, dass ab 2035 faktisch keine
neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden
dürfen. Dadurch soll der CO2-Ausstoß des Sektors stärker sinken.
Zwar gingen die Emissionen etwa in Deutschland zwischen 1990 und 2023
dem Umweltbundesamt zufolge auch im Verkehrssektor um knapp elf
Prozent zurück. Doch verglichen mit anderen Bereichen wie der Abfall-
oder der Energiewirtschaft hinkt der Sektor hinterher. Klima- und
Umweltfachleute fordern deshalb schon länger strengere Vorgaben für
die Verkehrsindustrie.
Die EU-Kommission hatte bereits im März angekündigt, das 2035-Ziel
noch in diesem Jahr überprüfen zu wollen. Die Diskussion um das Thema
hält auch in Deutschland seit längerem an.
Was will die Regierung?
Einig sind sich die Koalitionsparteien in der Frage, dass eine
Lockerung der Verordnung nötig sei. Der SPD geht es dabei eigenen
Aussagen zufolge vor allem um den Erhalt von Arbeitsplätzen, den ein
hartes Neuzulassungsverbot für Fahrzeuge mit fossilen Antrieben aus
ihrer Sicht gefährden würde. Sie pocht deshalb auf entsprechende
Zusagen der Industrie, Arbeitsplätze zu sichern im Gegenzug zu einer
Aufweichung des Verbrenner-Verbots ab 2035.
Innerhalb der Unionsparteien macht sich vor allem Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für eine vollständige
Abschaffung der Vorgaben stark. «Das Aus vom Verbrenner-Aus ist
eingeleitet», sagte er nach einer Konferenz der
Ministerpräsidentinnen und -präsidenten Ende Oktober. «Das muss jetzt
auch die Blaupause sein für eine Einigung in der Koalition in Berlin
und für die Position der Bundesregierung in Europa.» Die Klimaziele
in Europa seien bis 2035 nicht erreichbar und gefährdeten den
Wohlstand.
Wie steht es um den Hochlauf der Elektromobilität?
Gegner des Verbrenner-Aus argumentieren unter anderem mit dem
schleppenden Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland. Als die
EU-Verordnung 2022 beschlossen wurde, gingen viele noch von deutlich
höheren Verkaufszahlen bei Elektroautos aus.
Insbesondere im vergangenen Jahr war die Nachfrage nach Batterie-Pkw
(BEV) vor allem in Deutschland aber eingebrochen - auch, weil die
Regierung infolge der Haushaltskrise eine Kaufprämie überraschend
zurücknahm.
Der Absatz von E-Autos ging 2024 laut Kraftfahrt-Bundesamt um mehr
als ein Viertel im Vorjahresvergleich zurück. Ihr Anteil an
sämtlichen Neuzulassungen betrug lediglich 13,5 Prozent. Im Jahr
davor war noch fast jeder fünfte neu zugelassene Pkw (18,4 Prozent)
ein Batterieauto.
Gleichwohl hat sich die Nachfrage aber wieder erholt. Im Oktober lag
der BEV-Anteil an den Neuzulassungen bei rund 21 Prozent. In Europa
sei die Zahl der verkauften E-Fahrzeuge im ersten Halbjahr 2025 um
rund ein Viertel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, hieß
es vor einigen Monaten in einem Konzeptpapier der Kommission.
Doch Fachleute sehen noch keine ausreichende Dynamik - diese reiche
nicht, um Ziele beim CO2-Ausstoß zu erreichen. Vom einstigen Ziel der
früheren Bundesregierung, bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf
deutschen Straßen zu haben, ist die Branche weit entfernt.
Was ist mit anderen Technologien?
Das Verbrenner-Aus umfasst derzeit auch umstrittenere alternative
Antriebe wie Plug-in-Hybride. Diese werden hauptsächlich von einem
Verbrennermotor angetrieben, verfügen aber auch über eine Batterie.
Auch sogenannte Reichweitenverlängerer, bei denen es sich ebenfalls
um Verbrennermotoren handelt, die die Reichweite von E-Autos
erweitern sollen, sind ab 2035 nicht mehr als Neuzulassung erlaubt.
Die SPD hat bereits signalisiert, dass aus ihrer Sicht ein Kompromiss
darin bestehen könnte, solche Technologien vom Verbrenner-Aus
auszunehmen.
Wie ist die Gemengelage innerhalb der EU?
Der Ball liegt derzeit bei der EU-Kommission. Die Behörde unter
Führung von Ursula von der Leyen hatte nach Druck aus der Industrie
angekündigt, die Verordnung noch in diesem Jahr überprüfen zu wollen.
Ein Vorschlag dafür wird noch vor Weihnachten erwartet. Es ist
denkbar, dass die Kommission darin auch die Position der
Bundesregierung berücksichtigt.
Danach können das Europaparlament und die EU-Staaten aber noch
Änderungen an dem Vorschlag vornehmen. Am Ende muss eine ausreichende
Mehrheit in beiden Institutionen zustimmen.
Worauf sich geeinigt wird, ist noch nicht abzusehen. Neben klaren
Befürwortern, die das Verbrenner-Aus zurücknehmen wollen, gibt es
auch Stimmen - etwa aus Frankreich und Spanien - die sich für eine
weitgehende Beibehaltung des Vorhabens aussprechen.
