Künftig auch Billigwaren bei Import in EU zollpflichtig von Katharina Redanz und Christian Rothenberg, dpa

13.11.2025 15:46

Auf Temu, Shein und auch Amazon und Co sind oftmals sehr günstige
Produkte zu bestellen und kommen bislang oft zollfrei in die EU.
Damit soll schneller als gedacht Schluss sein.

Brüssel (dpa) - Online-Händler wie Shein, Temu, AliExpress und Co
sollen künftig mehr Zollabgaben auf ihre Sendungen in die EU
bezahlen. Bei einem Treffen in Brüssel stimmten Bundesfinanzminister
Lars Klingbeil und seine Amtskollegen der EU-Länder mehrheitlich
dafür, die derzeit geltende 150-Euro-Freigrenze abzuschaffen. Das
sagte die dänische Ministerin Stephanie Lose nach dem Treffen.
Dänemark hat derzeit den rotierenden Vorsitz der EU-Länder inne. 

Künftig sollen Zölle somit ab dem ersten Euro auf alle Waren erhoben
werden, die in die EU eingeführt werden. Ob günstige Produkte dadurch
teurer werden, dürfte abzuwarten bleiben. 

Mit dem von der Bundesregierung unterstützen Vorstoß soll etwa gegen
Wettbewerbsverzerrung und Betrug vorgegangen werden. Die Abschaffung
sei ein klares Signal der EU dafür, dass die Überschwemmung der
europäischen Märkte mit großen Mengen billiger Importwaren aus
Drittländern - insbesondere aus Asien - nicht akzeptabel ist, hieß
es. 

Bundeskanzler Friedrich Merz sagte beim Handelskongress in Berlin, er
sei bemüht, in der Europäischen Union zu vermeiden, dass es unfaire
Handelspraktiken gebe. Man sehe zurzeit einen systematischen
Missbrauch der Zollfreiheit von 150 Euro pro Päckchen in Deutschland,
durch massenhafte Sendungen vor allem aus China. Der massenhafte
Missbrauch der Freigrenzen müsse gestoppt werden. 

EU-Kommission schlug Reform für faireren Wettbewerb vor 

Die Entscheidung geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück.
Die neue Regelung soll ab 2028 gelten, wenn auch eine digitale
Plattform zur Abwicklung und Kontrolle an den Start gehen soll. Die
Mitgliedsstaaten wollen allerdings schon im kommenden Jahr eine
Übergangslösung einführen. 

Mit dem Abschaffen der 150-Euro-Freigrenze soll sichergestellt
werden, dass alle Händler - unabhängig von ihrem Standort - die
gleichen Wettbewerbsbedingungen haben. Bislang muss kein Zoll gezahlt
werden, wenn der Warenwert unter 150 Euro liegt. 

Zudem soll mit den neuen Vorgaben Betrug angegangen werden: Laut
EU-Kommission wird Schätzungen zufolge bei 65 Prozent der in die EU
geschickten Pakete bewusst ein zu niedriger Wert in der Zollanmeldung
angegeben, um die Befreiung in Anspruch zu nehmen. Das benachteiligt
der Behörde zufolge EU-Unternehmen, die nicht mit den entsprechend
niedrigeren Verkaufspreisen konkurrieren können - insbesondere kleine
und mittlere Unternehmen. 

Außerdem sei die Befreiung für Verkäufer ein Anreiz, größere
Bestellungen beim Versand in die EU auf kleinere Pakete aufzuteilen,
so die Kommission. Das trage weiter zu ungleichen
Wettbewerbsbedingungen für die EU-Unternehmen bei und verursache
darüber hinaus unter anderem Verpackungsmüll. 

«Erster Baustein» gegen Paketflut 

Online-Handel hat in den vergangenen Jahren zu einem exponentiellen
Anstieg bei Lieferungen kleiner Warenpakete mit geringem Wert in die
EU geführt. Laut EU-Kommission waren 2024 täglich rund zwölf
Millionen Pakete in der EU angekommen - deutlich mehr als in den
beiden Vorjahren. Von der Abgabe dürften Online-Shoppingportale wie
Amazon oder Etsy sowie E-Commerce-Giganten wie Temu, AliExpress und
Shein betroffen sein. 

Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland werden täglich etwa
400.000 Pakete von Shein und Temu an deutsche Kunden verschickt. Der
Umsatz der beiden Portale in Deutschland lag 2024 demnach zwischen
2,7 und 3,3 Milliarden Euro. Laut HDE kauften im vergangenen Jahr
mehr als 14 Millionen Menschen hierzulande bei Temu und Shein ein. 

Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop, nennt
die Abschaffung der Zollfreigrenze einen ersten Baustein, um die
Paketflut einzudämmen. «Außerdem müssen Online-Marktplätze
grundsätzlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie unsichere
oder gefährliche Produkte vertreiben», forderte sie weiter. Eine
Untersuchung der Stiftung Warentest habe kürzlich wieder gezeigt,
dass besonders Produkte im Preissegment unter 150 Euro häufig nicht
den EU-Regelungen entsprächen, mahnte Pop. 

 

Vom Online-Riesen Amazon heißt es, man unterstütze das Ziel, die
Fähigkeiten der Zollkontrolle zu stärken, um Betrug und
Nichteinhaltung zu bekämpfen und so für fairere
Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel zu sorgen. 

Neben der nun beschlossenen Zollpflicht auch für günstige Produkte
erwägt die EU-Kommission Berichten zufolge angesichts der rasant
steigenden Zahl von Paketen aus Drittstaaten eine Pauschalabgabe von
bis zu zwei Euro auf entsprechende Bestellungen. 

Konzerne bei Verbrauchern beliebt 

Temu ist ein Online-Marktplatz, auf dem zahlreiche Unternehmen
verschiedene Waren verkaufen. Das chinesische Unternehmen ist seit
Frühjahr 2023 in Deutschland aktiv und sorgt immer wieder mit
Minipreisen und hohen Rabatten für Aufsehen. Produkte werden häufig
direkt vom Hersteller zum Kunden geliefert. Der in China gegründete
und heute in Singapur ansässige Modekonzern Shein ist sowohl
Hersteller, Händler als auch Marktplatz. 

Die beiden Shoppingportale erfreuen sich bei Verbrauchern großer
Beliebtheit. Laut einem aktuellen Ranking des
Handelsforschungsinstituts EHI war Shein 2024 bereits der siebtgrößte
Onlineshop in Deutschland. Temu belegt bei den Marktplätzen den 4.
Rang. 

Beide Anbieter sind umstritten. Politiker, Handelsvertreter und
Verbraucherschützer monieren unter anderem Produktqualität, mangelnde
Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Sie fordern eine
strengere Regulierung und besseren Schutz beim Online-Einkauf. 

Der Handelsverband wirft der Bundesregierung Nichtstun bei den
umstrittenen Shoppingportalen Shein und Temu vor und spricht von
«Sabotage am Binnenmarkt». Dies sei «unterlassene Hilfeleistung» an

Mittelstand, Handel und Herstellern, sagte der Präsident des
Handelsverbandes, Alexander von Preen, beim Handelskongress in
Berlin. Shein sowie Temu unterliefen täglich systematisch europäische
Verbraucherschutz-, Steuer- und Umweltstandards. 

In Frankreich geriet Shein zuletzt vermehrt ins Visier der
Öffentlichkeit. Nachdem bekannt geworden war, dass bei dem
Onlinehändler Sexpuppen mit kindlichem Aussehen angeboten wurden und
Waffen vertrieben werden sollen, leitete die französische Regierung
vergangene Woche ein Verfahren gegen die Plattform ein. Im Zuge
dessen kündigte die Regierung an, am Pariser Flughafen 200.000
Shein-Pakete zu kontrollieren. Shein kündigte an, mit den Behörden
zusammenzuarbeiten.