G20-Erklärung spart Russlands Krieg namentlich aus
22.11.2025 15:31
Ungewöhnlich früh verabschiedet der Gipfel der führenden Industrie-
und Schwellenländer seine Abschlusserklärung. Welche Wirksamkeit sie
hat, bleibt offen. Denn einer der Mächtigen fehlt.
Johannesburg (dpa) - Die Gruppe führender Industrie- und
Schwellenländer (G20) verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen
die Ukraine nur indirekt. Laut Gastgeber Südafrika nahm der
G20-Gipfel schon in der ersten Arbeitssitzung in Johannesburg die
«Erklärung der Staats- und Regierungschefs» an, die Russland oder
Kremlchef Wladimir Putin nicht ausdrücklich erwähnt.
Bereits auf der ersten der 30 Seiten starken Erklärung, die auf dem
bis Sonntag dauernden Gipfel ungewöhnlich früh angenommen wurde,
finden sich aber unmissverständliche Hinweise auf den russischen
Krieg gegen die Ukraine, der nun mehr als dreieinhalb Jahren
andauert.
Der Gipfel war überschattet von der Diskussion über den
28-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump für einen Frieden in der
Ukraine. Da die USA den Gipfel boykottieren, nahmen sie auch nicht an
den Arbeiten der Abschlusserklärung teil.
Dennoch verbucht der Gastgeber, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa,
mit dem Konsens einen Erfolg. G20-Dokumente sind nicht rechtlich
bindend, sondern Absichtserklärungen.
Gipfel: Auf Gewalt verzichten
Die G20-Runde unterstreicht, «dass alle Staaten gemäß der UN-Charta
von der Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Erlangung von
Gebietsansprüchen gegen die territoriale Integrität, Souveränität
oder politische Unabhängigkeit eines Staates absehen müssen». Ein
klarer Hinweis auf den Angriffskrieg Putins. Staaten sollten
freundschaftliche Beziehungen untereinander pflegen, unter anderem
durch die Förderung und Stärkung der Achtung der Menschenrechte.
Putin werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Vor dem Treffen war unklar gewesen, ob es wegen des US-Gipfelboykotts
überhaupt eine gemeinsame Abschlusserklärung oder nur eine Erklärung
des Gastgebers geben würde.
Trump fehlt, weil er der südafrikanischen Regierung schwere
Repressionen gegen weiße Farmer vorwirft. Südafrika weist die
Vorwürfe zurück. Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping
nehmen ebenfalls nicht teil.
Südafrika: G20 können sich nicht von einem Land aufhalten lassen
Der Sprecher von Südafrikas Präsident, Vincent Magwenya, sagte: «Es
wäre für Amerika sehr schwierig gewesen, sozusagen einen
Boykott-Konsens zu organisieren, wenn die Länder sich ihrer
individuellen Verantwortung gegenüber ihren Bürgern und dem Rest der
Welt bewusst sind.» Ohne die USA zu nennen, sagte er: «Wir können die
Regeln nicht für ein einzelnes Land beugen.»
Der Gruppe der G20 gehören 19 Staaten, die Europäische und die
Afrikanische Union an. Für nächstes Jahr ist der G20-Gipfel in Miami
geplant.
Weitere zentrale Punkte der Abschlusserklärung:
Wichtige Mineralien und seltene Erden
Um langfristiges Wirtschaftswachstum zu sichern, unterstützt die
G20-Runde die verstärkte Erkundung von seltenen und für die
Volkswirtschaften wichtigen Mineralien besonders in
Entwicklungsländern. Transportwege, Märkte und Verarbeitungsstandorte
sollen ausgebaut und die Wertschöpfung in mineralreichen
Entwicklungsländern verbessert werden.
Hintergrund ist, dass Deutschland und Europa versuchen, unabhängiger
von China zu werden, das viele der bekannten Vorkommen besitzt.
Rohstoffe wie seltene Erden werden von der Hightech- und
Rüstungsbranche benötigt, aber auch zur Batterieproduktion. Peking
hat ihren Export beschränkt. Erwähnt wird die Rolle Pekings nicht.
UN-Sicherheitsrat
Das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen soll nach dem Willen
der G20 grundlegend reformiert und so an Anforderungen des 21.
Jahrhunderts angepasst werden. Der Rat soll repräsentativer,
effizienter, demokratischer und transparenter werden. Eine erweiterte
Zusammensetzung soll sicherstellen, dass auch unter- oder nicht
repräsentierte Regionen wie Afrika, Asien-Pazifik, Lateinamerika und
die Karibik vertreten sind.
Klimawandel
Die G20-Staaten verpflichten sich, den Klimawandel durch eine
verstärkte Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommen zu bekämpfen, um
bis etwa 2050 weltweit Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Die
Gruppe bekräftigt das in dem Abkommen vereinbarte Ziel, die
Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu
begrenzen. Dafür wollen die Staaten auf nationaler Ebene
Verpflichtungen vorlegen.
Globaler Süden
Die Gruppe beklagt die hohe Verschuldung, die in vielen
Entwicklungsländern Wirtschaftswachstum einschränke und damit
Investitionen in Infrastruktur, Katastrophenschutz,
Gesundheitsversorgung, Bildung und andere Entwicklungsbereiche
begrenze.
Zudem bekräftigen die Mitgliedsstaaten die Bedeutung von
Energiesicherheit für wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität.
Mehr als 600 Millionen Afrikaner haben noch immer keinen Zugang zu
Elektrizität.
Die G20-Teilnehmer betonen die Wichtigkeit einer nachhaltigen
Industriepolitik, die kein Land ausschließe, um wirtschaftliche
Widerstandsfähigkeit zu stärken, Wachstum zu unterstützen und
hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
