Europa: US-Friedensplan für Ukraine nachbessern Von den dpa-Korrespondenten

22.11.2025 17:46

Auch wenn die Europäer den Vorstoß des US-Präsidenten für ein Ende

des Ukraine-Kriegs gutheißen, den vorliegenden Friedensplan lehnen
sie ab. Bundeskanzler Merz macht stellvertretend klar, warum.

Johannesburg (dpa) - Deutschland und andere Verbündete der Ukraine
lehnen den Plan von US-Präsident Donald Trump für ein Ende des
russischen Angriffskrieges in der derzeitigen Form ab. Der Entwurf
sei eine Grundlage, an der jedoch weiter gearbeitet werden müsse,
stellten sie nach einem Krisentreffen am Rande des G20-Gipfels in
Johannesburg in einer Erklärung klar. 

Nach dem Treffen, bei dem auch Japan, Kanada und Australien vertreten
waren, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellvertretend für
die Europäer: «Kriege können nicht beendet werden durch Großmächt
e
über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg.» Ein Ende des Krieges

könne es nur geben, wenn die Ukraine uneingeschränkt zustimme.

Treffen mit USA am Sonntag in Genf

Einen ersten Anlauf, einen eigenen Beitrag zu leisten, unternehmen
die Europäer am Sonntag in Genf. Vertreter aus Deutschland,
Frankreich und Großbritannien sowie der EU sprechen dann mit den USA
und der Ukraine über den Plan. Das Treffen findet auf Ebene der
Berater der Staats- und Regierungschefs statt.

Aus den USA wird Außenminister Marco Rubio erwartet, der derzeit in
Personalunion auch sicherheitspolitischer Berater von Präsident
Donald Trump ist. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst
aber nicht.

Ein Papier mit Änderungsvorschlägen zum Friedensplan haben die
Europäer den USA nach Angaben von deutscher Seite bereits
übermittelt. Einzelheiten wurden nicht bekannt. 

Ukraine-Krisengespräche belasten eigentlichen G20-Gipfel 

Schon vor Beginn des Treffens der wichtigsten Industrie- und
Schwellenländer (G20) unter südafrikanischem Vorsitz war klar, dass
die Europäer das Treffen nutzen wollen, um sich abzustimmen, wie dem
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geholfen werden kann.

Trump hat Selenskyj eine Frist bis kommenden Donnerstag gesetzt,
grundsätzlich zuzustimmen. US-Vizepräsident JD Vance reagierte scharf
auf Kritik an dem Vorhaben: «Frieden wird nicht von gescheiterten
Diplomaten oder Politikern erreicht, die in einer Fantasiewelt
leben.»

Merz: Trump-Vorstoß bietet Chance für ein Kriegsende

Der Bundeskanzler erklärte trotz der europäischen Vorbehalte, es gebe
im Augenblick eine Chance, den Krieg zu beenden. Von einem
gemeinsamen guten Ergebnis sei man aber «noch ziemlich weit
entfernt». Dies habe er am Freitagabend auch beim Telefonat mit Trump
deutlich gemacht. 

Ziel der Ukraine-Verbündeten ist, aus ihrer Sicht inakzeptable
Zugeständnisse an Russland aus dem 28-Punkte-Plan der Amerikaner
herauszuverhandeln. Der US-Vorschlag sieht zum Beispiel vor, dass die
Ukraine auch bislang noch verteidigte Gebiete an Russland abtritt,
ihre militärischen Fähigkeiten beschränkt und die Nato einen Verzicht

auf jegliche Erweiterung erklärt.

Russland müsste dagegen nur vergleichsweise geringe Zugeständnisse
machen und unter anderem auf in der EU eingefrorenes Staatsvermögen
verzichten. Dieses würde für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt
werden.

Selenskyjs Dilemma 

Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj droht der
Ukraine bei einem Nein zum Plan, die USA als Schlüsselpartner zu
verlieren. Ohne Unterstützung der größten Militärmacht, die Waffen
an
die Ukraine verkauft und Daten für die Kriegsführung gegen Russland
bereitstellt, würde eine Fortsetzung des Abwehrkampfs gegen die
Invasoren deutlich erschwert.

Vance und Putin auf einer Linie

Der russische Präsident Wladimir Putin hält den 28-Punkte-Plan für
eine Grundlage, einen Frieden zu erreichen. Russland hatte die
Ukraine auf Befehl Putins am 24. Februar 2022 angegriffen. 

Vance warf den Kritikern des Plans vor, die wahre Lage im Krieg zu
verkennen. Auf X schrieb er: «Es gibt diese Fantasie, wenn wir bloß
für mehr Geld, mehr Waffen oder mehr Sanktionen sorgten, wäre der
Sieg greifbar.»

Putin wirft den Europäern ebenfalls Unkenntnis der Lage vor. Sie
hätten keine echten Informationen über die Lage auf dem Schlachtfeld.
Russland werde seine Ziele militärisch erreichen. 

US-Boykott des Gipfels 

Die USA boykottieren den ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden
und können deshalb nicht direkt in Johannesburg angesprochen werden.
Trump beklagt eine Diskriminierung weißer Minderheiten in Südafrika,
insbesondere der sogenannten Afrikaaner, die Nachfahren
niederländischer Siedler sind. Südafrika weist die Vorwürfe als
unbegründet zurück. Fachleute sehen sie ebenfalls als nicht
gerechtfertigt an.

Südafrika setzt trotz Ukraine-Krise Entwicklungsthemen durch 

Wegen der Krisengespräche rückten die eigentlichen Gipfelthemen in
den Hintergrund. Dennoch verabschiedete die G20-Runde die von
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ausgehandelte Schlusserklärung.

Er warb noch einmal für mehr Zusammenarbeit bei der Lösung globaler
Probleme wie der Klimakrise und der größer werdenden Kluft zwischen
Arm und Reich in der Welt. Der Gastgeber hatte die Themenschwerpunkte
«Solidarität, Gleichheit und Nachhaltigkeit» für die
G20-Präsidentschaft gesetzt.

Südafrika will G20-Vorsitz nicht symbolisch an USA übergeben

Die USA sind im kommenden Jahr Gastgeber des G20-Gipfels, auch wenn
sie das Treffen in Johannesburg boykottieren. Südafrika will nun den
jährlich wechselnden G20-Vorsitz am Sonntag nicht symbolisch
übergeben, wie der Präsidentensprecher sagte. Die Übergabe ist für

kommende Woche in der Hauptstadt Pretoria geplant.

Der Gruppe der G20 gehören 19 Staaten, die Europäische und die
Afrikanische Union an. Für das kommende Jahr ist der G20-Gipfel in
Miami geplant.