Wie laufen die Gespräche über ein Kriegsende in der Ukraine? Von Andreas Stein, Ulf Mauder und Franziska Spiecker, dpa

01.12.2025 06:26

Zum ersten Mal gibt es - angestoßen von US-Präsident Trump - von
westlicher Seite angeführte Gespräche über ein Kriegsende in der
Ukraine unter Beteiligung Russlands. Können sie zu Frieden führen?

Kiew/Moskau (dpa) - Die Gespräche für eine Beendigung des russischen
Angriffskrieges gegen die Ukraine gehen in eine neue Phase. Der erste
28-Punkte-Plan der USA geriet schnell als «russische Wunschliste» und
«Kapitulationsurkunde» für die Ukraine in die Kritik. Kiew und
führende Politiker aus der EU, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz
(CDU), ließen das Papier gemäß ukrainischen und europäischen
Sicherheitsinteressen nachverhandeln und konnten Änderungen
erreichen. Nun sind auch erstmals offizielle Gespräche mit Russland
geplant. Zu den Erfolgsaussichten einige Fragen und Antworten:

Wie ist der Stand bei den Gesprächen?

In den USA arbeiteten ukrainische und amerikanische Unterhändler am
Sonntag an offenen Fragen eines möglichen Friedensplans.
US-Außenminister Marco Rubio sprach anschließend von «weiteren
Fortschritten», betonte aber auch, es bleibe noch viel zu tun.
Präsident Donald Trump gab sich optimistisch und sagte: «Ich denke,
es gibt eine gute Chance, dass wir einen Deal machen können.»

Der vorläufige 28-Punkte-Plan der USA war vorletzte Woche durch
Medienberichte bekanntgeworden. Führende europäische Staaten,
EU-Vertreter und die ukrainische Delegation drangen daraufhin vor gut
einer Woche bei einem Treffen mit US-Unterhändlern in Genf auf
Anpassungen. Danach war die Rede von einem abgeänderten Papier.

Beide Versionen - die ursprüngliche und die Genfer Neufassung -
liegen nach Angaben des Kreml auch Russland vor. Die ersten
offiziellen Gespräche mit US-Vertretern dazu sind nun in der ersten
Wochenhälfte in Moskau geplant, wie Präsident Wladimir Putin selbst
mitteilte. Der russische Staatschef hatte den ersten US-Plan als
Grundlage für mögliche Friedensverhandlungen gelobt.

Wer verhandelt mit wem?

Auf ukrainischer Seite führt der Sekretär des Nationalen Rates für
Sicherheit und Verteidigung, Rustem Umjerow, das neunköpfige
Verhandlungsteam. Er hat in diesem Jahr bereits bei den ersten
direkten Verhandlungen seit 2022 mit der russischen Seite in Istanbul
gesprochen. Moskaus Chefunterhändler Wladimir Medinski, der mit
Umjerow erfolgreich Austausche von Gefangenen und getöteten Soldaten
aushandelte, ist weiter Putins erster Mann für die Gespräche.

In Moskau erwarten die russischen Vertreter diese Woche den
Sonderbeauftragten von US-Präsident Donald Trump zu Gesprächen. Steve
Witkoff hat nicht nur Putin wiederholt getroffen, er pflegt auch zu
dessen Wirtschaftsexperten Kirill Dmitrijew enge Kontakte, der
mehrfach zu Gesprächen über eine mögliche Beendigung des Krieges in
den USA war. Dmitrijew lockt mit Wirtschaftskontakten, sollten die
Kampfhandlungen enden und die Sanktionen fallen. Während er
Anweisungen von Putins außenpolitischem Berater Juri Uschakow
befolgt, steht Witkoff in der Kritik, weil er sich von den Russen die
Bedingungen für einen Waffenstillstand diktiert haben lassen soll.

Nicht direkt beteiligt an den Verhandlungen sind die Europäer, die
sich angesichts des folgenschweren Krieges direkt vor ihrer Haustür
aber dennoch immer wieder zu Wort melden. Die EU betont, dass die
beiden Großmächte USA und Russland nicht allein über das Schicksal
der Ukraine und auch nicht über europäische Sicherheitsinteressen
entscheiden könnten. Sie versuchen, Einfluss geltend zu machen und
nicht auf die Rolle als Zuschauer reduziert zu werden.

Worum geht es bei den Gesprächen?

Beide Seiten bekunden die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Aber
sie wollen unterschiedliche Wege gehen. Die Ukraine strebt einen
bedingungslosen Waffenstillstand an und will danach alles andere
verhandeln. Russland hingegen will zuerst eine grundsätzliche
Regelung des Konflikts.

Moskau dürfte einem Waffenstillstand nur zustimmen, wenn dafür
bestimmte Bedingungen erfüllt sind - allen voran ein Ende der
Waffenlieferungen an die Ukraine und ein Stopp der Mobilmachung für
den Krieg. Unerschütterlich scheint dabei die Position Russlands, das
auf einem Rückzug ukrainischer Truppen aus dem Donbass besteht - also
jenen Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk, die Moskau nicht
kontrolliert.

Sowohl Russland als auch die Ukraine versuchen jeweils, sich Trump
gegenüber friedensbereit zu zeigen und ihn damit wohlwollend zu
stimmen. Zugleich sind sie vorsorglich bemüht, dem Kriegsgegner die
Schuld anzulasten, sollten die Gespräche scheitern. Trump scheint vor
allem daran interessiert, das für ihn leidige Kriegsthema durch einen
Kompromiss zu beenden und wieder zu Geschäften vor allem mit der
Rohstoffgroßmacht Russland zu kommen. 

Kritiker werfen den USA vor, nur dieses Ziel im Blick zu haben und
darüber den konkreten Inhalt eines Deals zur Beendigung des Krieges
zu vernachlässigen. US-Außenminister Rubio hingegen sagte vor den
Gesprächen mit den Ukrainern in den USA, seinem Land gehe es nicht
nur um das bloße Kriegsende an sich, sondern um eine Garantie, dass
die Ukraine souverän, unabhängig und wohlhabend sein werde und keinen
Krieg mehr erleben müsse. 

Wo sind rote Linien?

Eine Kapitulation lehnt die Ukraine ab. Für Kiew sind mindestens drei
Punkte nach bisherigem Stand nicht verhandelbar: Gebietsabtretungen
in jeglicher Form gelten als ebenso indiskutabel wie der von Moskau
geforderte Verzicht auf das Recht eines Nato-Beitritts und von
Russland diktierte Beschränkungen der Truppenstärke und
Waffengattungen des ukrainischen Militärs. Da es sich dabei um
russische Maximalforderungen handelt, geht es auch um die Frage, wer
zuerst seine roten Linien aufgibt.

Für Russland wäre es schon ein Erfolg, wenn zumindest die USA die
bereits 2014 einverleibte ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim und
den 2022 annektierten Donbass zwar nicht hochoffiziell, aber doch
wenigstens faktisch als russisches Gebiet anerkennen.

Was können die Ergebnisse sein?

Bisher deutet wenig darauf hin, dass es schon bald zu einem
tragfähigen Friedensplan kommt, weil die Positionen der Kriegsgegner
sehr weit auseinanderliegen. Sollte sich die in die Defensive
gedrängte Ukraine auf Russlands Maximalforderungen einlassen, wird in
Kiew und in der EU eine Art Kapitulationseffekt befürchtet.
Washington und Moskau dagegen betonen die Chancen eines Kriegsendes.
Druckmittel der USA haben vor allem die ukrainischen Verteidiger zu
befürchten, für die es ein schwerer Schlag wäre, sollten die
Amerikaner die Weitergabe von Waffen und von Aufklärungsdaten für
Angriffe im russischen Hinterland stoppen.

Doch selbst nach einem Komplettstopp jeglicher US-Hilfe könnte die
Ukraine bei fortgesetzter oder sogar verstärkter Unterstützung aus
Europa den Kampf fortsetzen. Denkbar wäre dann, dass Kiew darauf
setzt, bis zum Herbst 2026 durchzuhalten und dann bei einer
Niederlage von Trumps Republikanern bei den Kongresswahlen mit Hilfe
der Demokraten wieder neue Unterstützung aus den USA zu erhalten.
Jedoch verschlechtert sich die ukrainische Position an der Front vor
allem aufgrund des chronischen Soldatenmangels zusehends, das würde
auch ein Stimmungsumschwung in den USA nicht ändern.

Wie lang ist der Weg zum Frieden?

Der Weg zu einem Kriegsende wäre selbst bei einer Einigung auf einen
Friedensvertrag sehr lang - auch weil Kremlchef Putin einen
Waffenstillstand selbst verfügen kann, der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj die Bedingungen für einen Frieden hingegen
absegnen lassen muss und dafür auch die Unterstützung des Parlaments
braucht. Gemäß Verfassung müssten die Ukrainer vielen Entscheidungen

- wie Gebietsabtretungen - selbst zustimmen. 

Auch ein Abbruch der Gespräche mit einer Wiederaufnahme im Frühjahr
ist nicht unwahrscheinlich. Die grundlegenden Entscheidungen werden
derzeit eher auf dem Schlachtfeld getroffen als am Verhandlungstisch.
In der jetzigen Situation dürfte sich selbst bei einem
unwahrscheinlichen Abgang Selenskyjs kein seriöser ukrainischer
Politiker finden, der an seiner Stelle sich und seine Karriere
opfert, indem er die russischen Bedingungen für ein Kriegsende
akzeptiert. 

Gleichzeitig fehlen der ukrainischen Seite die Hebel, Russland zum
Nachgeben vor allem in den Gebietsfragen zu zwingen. Und Moskau hat
auch nach Einschätzung westlicher Militärexperten derzeit die
Initiative auf dem Schlachtfeld und erobert immer neue Gebiete. Die
Kämpfe könnten also mindestens bis zur vollständigen Eroberung der
Gebiete Donezk und Luhansk durch russische Truppen weitergehen.

Wie wahrscheinlich ist eine Fortsetzung des Krieges?

Eine Fortsetzung des Krieges ist nach aktuellem Stand sehr
wahrscheinlich, auch wenn Russland nicht zuletzt infolge der
Sanktionen zunehmend wirtschaftliche Probleme hat. Vermutet wird,
dass der russische Machtapparat den Krieg noch Jahre führen kann,
ohne dass das Land kollabiert. Für die Ukraine besteht somit das
Risiko, die Kontrolle über ihr Staatsgebiet immer weiter zu
verlieren.

Die Ukraine ist ebenfalls bereit, den Kampf fortzusetzen. Die
Mehrheit der EU-Staaten will zudem Milliarden aus eingefrorenem
russischen Staatsvermögen und anderen Quellen mobilisieren, um die
Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Parallel dazu können
zwar weiterhin Gespräche geführt werden. Doch ist ohne Klärung der
beiden Hauptkonfliktpunkte des Nato-Beitritts und der Gebietsfragen
kein schnelles Kriegsende zu erwarten.