Berichte: Ehemalige EU-Chefdiplomatin festgenommen
02.12.2025 17:24
Durchsuchungen in EU-Büros und einer Eliteuniversität in Belgien: Es
geht um Betrug und ein Ausbildungsprogramm. Eine Ex-Spitzendiplomatin
und ein führender EU-Beamter geraten ins Visier der Behörden.
Brüssel/Brügge (dpa) - Die frühere EU-Chefdiplomatin und italienische
Außenministerin Federica Mogherini ist in Belgien unter
Korruptionsverdacht festgenommen worden. Ermittler nahmen zudem auch
den italienischen EU-Spitzenbeamten Stefano Sannino sowie eine
weitere Person fest, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga unter
Berufung auf Justizkreise berichtete. Allen drei wird Betrug bei der
Verwendung von EU-Geldern vorgeworfen.
Nach Angaben der Europäischen Staatsanwaltschaft EPPO wurden am
Vormittag Räume des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) in
Brüssel sowie mehrere Gebäude des Europakollegs in Brügge durchsucht.
Die ehemalige EU-Außenbeauftragte ist inzwischen Rektorin des
Europakollegs, das als Kaderschmiede für EU-Beamte und Diplomaten
gilt. EPPO bestätigte drei Festnahmen, wollte sich aber vorerst nicht
zur Identität der Betroffenen äußern.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt demnach wegen des Verdachts der
Vetternwirtschaft bei der Vergabe eines neunmonatigen
Ausbildungsprogramms für künftige EU-Diplomaten. Laut EPPO hatte der
Auswärtige Dienst der EU das Europakolleg nach einem
Ausschreibungsverfahren mit der Durchführung des Programms
beauftragt.
Vorab über Auswahlkriterien informiert?
Bei den laufenden Ermittlungen gehe es darum, ob die Universität oder
ihre Vertreter vorab über die Auswahlkriterien informiert waren oder
bereits vor Veröffentlichung der Ausschreibung wussten, dass sie den
Zuschlag für das Projekt erhalten würden, teilte EPPO mit. Es bestehe
der «starke Verdacht», dass vertrauliche Informationen an einen
Bewerber weitergegeben wurden.
Das Europakolleg teilte am Abend mit, man werde uneingeschränkt mit
den Behörden kooperieren. Das Kolleg bekenne sich weiterhin zu hohen
Standards in Bezug auf Integrität und Fairness. Die Festnahme der
Rektorin Mogherini kommentiere die Hochschule auch auf Nachfrage
nicht.
Die Vorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum 2021-2022. Mogherini war
von 2014 bis 2019 an der Spitze des EAD und zudem Vizepräsidentin der
EU-Kommission. Mögliche Straftaten seien Betrug bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge, Korruption, Interessenkonflikte und die
Verletzung des Berufsgeheimnisses, so die Europäische
Staatsanwaltschaft.
Die Europäische Staatsanwaltschaft, 2021 offiziell eingerichtet, ist
eine unabhängige EU-Behörde zur Bekämpfung von Betrug mit EU-Geldern.
Für die Durchsuchungen hatte die Behörde die Aufhebung der Immunität
mehrerer Verdächtiger beantragt, die gewährt wurde. Die Ermittlungen
werden gemeinsam mit einem Untersuchungsrichter aus dem belgischen
Westflandern geführt. Auch das EU-Amt für Betrugsbekämpfung
unterstützt demnach.
EU-Vertreter schon mehrfach im Fokus der Ermittler
Es ist nicht das erste Mal, dass EU-Vertreter in den Fokus der
Ermittlungsbehörden geraten. Kurz nach seinem Ausscheiden als
EU-Kommissar für Justiz vor gut einem Jahr gab es etwa gegen Didier
Reynders Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche.
2022 hatten Ermittlungen zu Korruption, Geldwäsche und versuchter
Einflussnahme eines Golfstaats das Europaparlament erschüttert.
Dieses Jahr wurden erneut Büros im Europäischen Parlament in Brüssel
durchsucht. Die Ermittlungen standen im Zusammenhang mit Vorwürfen,
der chinesische Technologiekonzern Huawei habe versucht, unerlaubten
Einfluss auf Entscheidungsprozesse auszuüben.
