EU vs. Elon Musk: Brüssel verhängt Millionenstrafe gegen X Von Niklas Treppner, dpa

05.12.2025 19:06

Die EU setzt ein Zeichen: Trotz deutlicher Warnungen der US-Regierung
von Donald Trump verschärft sie ihr Vorgehen gegen amerikanische
Tech-Konzerne. Ist das genug?

Brüssel (dpa) - Die EU verhängt gegen Elon Musks Online-Plattform X
wegen Transparenzmängeln eine Millionenstrafe. Die US-Firma müsse 120
Millionen Euro zahlen, unter anderem wegen einer irreführenden
Authentifizierung von Nutzerkonten durch den weißen
Verifizierungshaken auf blauem Grund, wie die zuständige
EU-Kommission mitteilte. Sie wirft dem Twitter-Nachfolger auch vor,
Forschern Daten vorzuenthalten und geschaltete Werbung nicht
transparent zu dokumentieren.

Die Entscheidung gegen X auf Grundlage des Gesetzes über digitale
Dienste (Digital Services Act - DSA) könnte die Beziehungen zu den
Vereinigten Staaten belasten. Washington reagierte mit heftiger
Kritik. Es sei «eine Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen
und das amerikanische Volk durch ausländische Regierungen», schrieb
Außenminister Marco Rubio auf X. Die Tage der Online-Zensur für
Amerikaner seien vorbei.

Dabei geht es bei der Strafe der EU-Kommission gar nicht um den
Vorwurf, die Plattform gehe nicht konsequent genug gegen illegale
Inhalte oder Desinformation vor. Es sind die europäischen Vorgaben
dazu, die in den USA oft als Zensur bezeichnet werden.

US-Vizepräsident JD Vance schrieb schon vor der Entscheidung auf X,
die EU solle die Meinungsfreiheit unterstützen, anstatt amerikanische
Unternehmen «wegen Müll» anzugreifen. US-Präsident Donald Trump hat
te
die europäischen Digitalgesetze in der Vergangenheit als
wettbewerbsfeindlich kritisiert. 

In ihrer am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlichten
Sicherheitsstrategie warnt die US-Regierung außerdem vor einem
Verlust der Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa. Demnach gebe
es auch eine «Zensur der freien Meinungsäußerung».

Sind 120 Millionen Euro angemessen für einen Tech-Riesen? 

Laut der Entscheidung der EU setzt sich die Strafe aus drei Teilen
zusammen: 45 Millionen Euro für die Verifizierungshäkchen, 40
Millionen Euro für den fehlenden Datenzugang für Forscher und 35
Millionen Euro für fehlende Transparenz bei Werbung.

Die EU-Kommission rechtfertigte die Höhe der Strafe. Die Geldbuße
stehe in einem angemessenen Verhältnis zum Verstoß, betonte ein
EU-Beamter. Der Jahresumsatz von Musks Firma spiele bei der
Berechnung der Strafe keine direkte Rolle. 

Die Brüsseler Behörde argumentierte, dass die Art der Verifikation
bei X für Nutzer irreführend sei. Sie könnten glauben, dass hinter
den Konten mit den Häkchen echte, verifizierte Nutzer stehen - doch
das sei nicht zwingend der Fall. 

Musks X-Übernahme und der Haken an der Sache

Schon vor Jahren hatten die Verifizierungshäkchen für Ärger gesorgt.

Als X noch Twitter hieß, wurden die weißen Häkchen auf blauem
Untergrund zur Verifizierung nach einer Prüfung durch das Unternehmen
an Prominente, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens
vergeben. Das ist auch die gängige Praxis bei anderen
Online-Diensten. 

Musk führte hingegen nach der Übernahme im Herbst 2022 ein, dass alle
zahlenden Abo-Kunden Häkchen bekommen - wobei die Symbole genauso
aussehen wie früher. Insbesondere unmittelbar nach der Umstellung gab
es mehrfach Ärger, weil falsche Accounts von Unternehmen und
Prominenten plötzlich echt wirkten. 

Inzwischen heißt es auf der Webseite, dass neben einem Abo auch ein
Benutzername und ein Profilfoto erforderlich seien. Außerdem dürfe es
keine Anzeichen für betrügerisches oder irreführendes Verhalten
geben. Auch gibt es inzwischen goldene Häkchen-Symbole für
Unternehmen und silberne für Behörden und Regierungsorganisationen.

Zieht X vor Gericht? Wie reagiert Trump? 

Mit Spannung wird nun erwartet, wie Musk auf die Strafe reagiert. Als
die EU-Kommission im Juli 2024 ihre vorläufigen Ergebnisse in dem
Fall präsentierte, reagierte er bei X mit Ironie: «Woher wissen wir,
dass Sie echt sind?», fragte er auf einen Post des damals zuständigen
EU-Kommissar Thierry Breton hin.

Abgesehen von Musks öffentlicher Reaktion könnte es sein, dass X
gegen die Entscheidung rechtlich vorgehen wird und der Fall
letztendlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen könnte.
Für die EU-Beamten ist dabei klar: Der erste DSA-Fall, der eine
Strafe nach sich zieht, dürfe nicht vor Gericht verloren werden. Der
Imageschaden wäre groß, hieß es in Brüssel. Zunächst hat das
US-Unternehmen nun 60 Werktage Zeit, Anpassungen anzukündigen. 

Digital Services Act gilt seit Februar 2024 

Die nun verhängte Strafe, ist die erste, die die Europäische
Kommission auf Grundlage des DSA verhängt. Das umfangreiche Regelwerk
gilt seit Februar 2024 und soll das scharfe Schwert gegen als
gefährlich angesehene Praktiken von Tech-Riesen sein.
Online-Plattformen müssen sich wegen des DSA an deutlich strengere
Vorschriften halten: Beschwerden von Nutzern sollen besser
aufgegriffen, illegale Inhalte schneller entfernt und Kinder besser
geschützt werden. 

Ansonsten müssen die Online-Plattformen mit empfindlichen Strafen
rechnen: bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes sind
möglich. Die EU-Kommission kann auch tägliche Strafzahlungen
verhängen, bis Probleme behoben sind. Kritiker halten der Behörde
allerdings vor, diese Sanktionsmittel zu wenig zu nutzen. 

Zuletzt forderte etwa Frankreich von den EU-Beamten, hart gegen den
Online-Händler Shein vorzugehen, nachdem dieser Sexpuppen in
Kinderoptik angeboten hatte. Die europäischen Internetwächter
verlangten daraufhin Auskünfte von Shein.

Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) lobte die Entscheidung
gegen X als wichtiges Signal. Sie zeige, dass die EU-Kommission den
DSA entschlossen anwende und europäische Werte schütze, sagte er am
Rande eines Treffens der Digitalminister in Brüssel. 

Gegenbeispiel Tiktok? EU-Verfahren eingestellt 

Neben der Millionenstrafe für X verkündete die EU-Kommission -
zeitgleich -, dass ein Verfahren gegen Tiktok eingestellt worden sei.
Die Videoplattform, des Mutterkonzerns Bytedance mit Sitz in Peking,
war ebenfalls wegen intransparenter Werbung ins Visier von Brüssel
geraten. 

Der DSA verpflichtet Plattformen dazu, ein zugängliches und
durchsuchbares Archiv der geschalteten Anzeigen zu führen. Die
EU-Kommission argumentiert, diese Archive seien für Behörden,
Forscher und die Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung. Etwa
um Betrugsversuche, Werbung für illegale oder nicht kindgerechte
Produkte oder Desinformationskampagnen aufzudecken. 

Nach intensiven Gesprächen habe Tiktok hierzu verbindliche Zusagen
gemacht und räume damit die Vorwürfe der EU-Kommission aus, heißt es

in einer Mitteilung der Brüsseler Behörde. Allerdings laufen auch
gegen Tiktok weitere Verfahren. Etwa wegen des möglichen Einflusses,
den die Videoplattform auf Kinder und Jugendliche oder auch
demokratische Prozesse hat. Entscheidungen in diesen Verfahren stehen
noch aus. 

Der US-Firma X könnten ebenfalls weitere Strafen drohen. So haben die
europäischen Internetwächter X ebenfalls seit Dezember 2023 im
Visier, weil die Plattform im Verdacht steht, nicht genug gegen
illegale Inhalte oder Desinformation zu tun. Die Entscheidungen in
diesen Untersuchungen stünden noch aus, hieß es von den EU-Beamten.