Googles KI-Antworten - EU ermittelt gegen US-Konzern Von Niklas Treppner und Valeria Nickel, dpa
09.12.2025 13:42
Wer Google eine Frage stellt, bekommt auch Antworten einer
Künstlichen Intelligenz. Der US-Internetriese nutzt dafür Inhalte
Dritter - und gerät daher nun ins Visier der EU-Aufsicht.
Brüssel (dpa) - Die EU verdächtigt den US-Internetriesen Google,
seine Künstliche Intelligenz rechtswidrig mit Online-Inhalten Dritter
gefüttert zu haben. Die zuständige Europäische Kommission leitet
daher eine Untersuchung wegen möglicher Verstöße gegen das
Wettbewerbsrecht ein.
Konkret wirft die Behörde dem Tech-Riesen vor, den Inhalt von
Urhebern ohne entsprechende Kompensation zu nutzen, um die Ergebnisse
für Suchanfragen anzubieten. Sie prüfe, ob Google Verlagen und
Urhebern von Inhalten möglicherweise unfaire Bedingungen auferlege
und gleichzeitig konkurrierende Entwickler von KI-Modellen
benachteiligt habe, teilte Kommissions-Vizepräsidentin Teresa Ribera
mit.
Die Spanierin sagte demnach: «Eine freie und demokratische
Gesellschaft ist auf vielfältige Medien, offenen Informationszugang
und eine lebendige Kreativlandschaft angewiesen.» KI bringe
bemerkenswerte Innovationen und viele Vorteile für Menschen und
Unternehmen in ganz Europa, doch dieser Fortschritt dürfe nicht auf
Kosten der Prinzipien gehen, die im Herzen der europäischen
Gesellschaften stünden.
Ein Sprecher von Google kritisierte die Entscheidung aus Brüssel
scharf: «Diese Beschwerde riskiert, Innovationen in einem Markt zu
ersticken, der wettbewerbsintensiver denn je ist.» Europäerinnen und
Europäer hätten ein Recht darauf, von den neuesten Technologien zu
profitieren, hieß es in einer Stellungnahme. Man werde weiterhin eng
mit der Nachrichten- und Kreativbranche beim Übergang ins
KI-Zeitalter zusammenarbeiten.
Wie geht Google mit Inhalten um, die andere erstellt haben?
Wer bei Google sucht, bekommt inzwischen auch KI-generierte
Ergebnisse angezeigt. Es geht dabei sowohl um zusammenfassende
Antworten auf Suchanfragen als auch um den erst vor wenigen Wochen in
Deutschland gestarteten KI-Modus von Google. Letzterer beantworte
Anfragen von Nutzerinnen und Nutzern im konversationsähnlichen Stil
eines Chatbots, teilte die EU-Kommission mit.
Neben einer mutmaßlich nicht angemessenen Kompensation für die
Urheber von Inhalten untersuchen die europäischen Wettbewerbshüter
auch, ob Google seine Marktmacht missbraucht. Es gehe darum, ob die
Online-Publisher die Möglichkeit hätten, der Nutzung ihrer Inhalte
durch Googles KI zu widersprechen, teilten die Brüsseler
Wettbewerbshüter weiter mit.
Tatsächlich seien viele Anbieter darauf angewiesen, bei einer
Google-Suche zu erscheinen, um Nutzerinnen und Nutzer auf ihre
Webseite zu ziehen. Diesen Zugang zu verlieren, wollten viele
Online-Publisher nicht riskieren, so die EU-Kommission.
Die europäische Verwertungsgesellschaft Corint Media, die auch die
Urheberrechte vieler deutscher Verlage und Medienunternehmen
vertritt, begrüßte die Ermittlungen. «Die digitalen Gatekeeper nutzen
journalistische Inhalte zugunsten der eigenen Geschäftsmodelle seit
langem - ohne jede faire Kompensation», sagte die Corint-Media-Chefin
Christine Jury-Fischer einer Mitteilung zufolge.
EU vs. US-Internetkonzerne - das nächste Verfahren
Auch wenn die Gründe unterschiedlich sind, so häufen sich die
EU-Verfahren und Strafen gegen Internetkonzerne aus den USA.
Vergangenen Freitag hatte die Brüsseler Behörde eine Geldstrafe von
120 Millionen Euro gegen Elon Musks Online-Plattform X verhängt. Sie
wirft dem sozialen Netzwerk vor, sich nicht an europäische
Digitalregeln zu halten.
Die Entscheidung löste heftige Reaktionen aus den Vereinigten Staaten
aus. Es sei «eine Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen
und das amerikanische Volk durch ausländische Regierungen», schrieb
US-Außenminister Marco Rubio auf X. Die Tage der Online-Zensur für
Amerikaner seien vorbei. «Die EU sollte abgeschafft werden», schrieb
Musk selbst in einem Post auf der Online-Plattform. Er untersagte der
EU-Kommission als Reaktion auf die Brüsseler Entscheidung zudem,
Anzeigen auf seiner Plattform zu schalten.
Ein Sprecher der EU-Kommission verteidigte die Entscheidungen der
Behörde: «Wenn Sie Ihre Dienstleistungen in der EU anbieten wollen,
dann halten Sie sich an unsere Gesetzgebung.» Diese Botschaft habe
man auch bei einem Treffen mit Vertretern der US-Regierung gestern
vermittelt, fügte der EU-Beamte hinzu. Den wiederholt von US-Seite
gemachten Vorwurf der Zensur wies er zurück. Auch in den Vereinigten
Staaten würde niemand terroristische Inhalte, sexuellen
Kindesmissbrauch oder Finanzbetrug im Internet sehen wollen.
Auch gegen Facebook-Konzern läuft Verfahren wegen KI-Nutzung
Erst vergangenen Donnerstag hatte die EU wegen möglicher Verstöße
gegen europäisches Wettbewerbsrecht ein neues Verfahren gegen den
Facebook-Konzern Meta eingeleitet. Konkret geht es um den Verdacht,
dass Meta den Zugang von Anbietern Künstlicher Intelligenz (KI) zum
Messaging-Dienst WhatsApp rechtswidrig beschränkt.
Auch in den Vereinigten Staaten liefen schon Verfahren wegen
möglicher Wettbewerbsverstöße gegen Meta. Zuletzt war die
US-Regierung vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, die Abtrennung
von Instagram und WhatsApp vom Facebook-Konzern Meta zu erzwingen. In
der Regel werden die Wettbewerbsverfahren von US-Seite daher auch
weniger kritisiert als Ermittlungen oder Strafen auf Grundlage von
europäischen Digitalgesetzen.
Googles KI-Modus startete Anfang Oktober in Deutschland
Google beherrscht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Internet-Suche.
Inzwischen greifen Nutzer aber auch zu KI-Chatbots anderer Anbieter
wie ChatGPT oder Perplexity. Google setzt daher inzwischen auch in
Europa beim klassischen Suchmaschinengeschäft auf Künstliche
Intelligenz.
Der US-Konzern schaltete Anfang Oktober den sogenannten KI-Modus in
der Google-Suche in mehr als 40 Ländern frei, darunter Deutschland,
Österreich und die Schweiz. Die neue Funktion, durch die man mit den
Suchergebnissen chatten kann, war im Juli zunächst in den USA, in
Großbritannien und in Indien gestartet worden.
Videos für KI-Training nutzen, aber Urheber nicht kompensieren?
Bedenken gibt es darüber hinaus im Umgang mit Inhalten auf Googles
Video-Plattform YouTube. Wer Videos erstellt, müsse Google die
Erlaubnis geben, die Inhalte für unterschiedliche Zwecke zu nutzen -
darunter auch zum Training generativer KI-Modelle. Eine Vergütung
dafür erhält man jedoch nicht. Gleichzeitig untersagt YouTube
Wettbewerbern von Google, eigene KI-Systeme mit den Plattforminhalten
zu trainieren - ein möglicher Vorteil für Googles eigene
KI-Entwicklungen.
Die EU-Kommission untersucht, ob Google durch die Praktiken eine
marktbeherrschende Stellung ausgenutzt haben könnte. Die Einleitung
des Verfahrens bedeute noch keinen Nachweis eines Verstoßes, betonte
die Brüsseler Behörde. Sie wacht in der EU über die Einhaltung des
Wettbewerbsrechts.
Wie lange das Verfahren dauern wird, ist offen. Gegen Google laufen
auch andere Verfahren wegen möglicher Wettbewerbsverstöße, etwa wegen
möglicher Benachteiligung von Medien und Verlagen. Bei solchen
Verfahren drohen hohe Geldbußen. Im September hatte die EU-Kommission
Google wegen Verstößen gegen Wettbewerbsregeln im Werbegeschäft eine
Strafe von 2,95 Milliarden Euro aufgebrummt.
