EU setzt sich neues Ziel für den Klimaschutz Von Katharina Redanz, dpa

10.12.2025 09:54

Im Kampf gegen den Klimawandel einigt sich die EU auf ein neues Ziel
- anders als bisher aber mit Hilfe aus dem außereuropäischen Ausland.
Für Verbraucher gibt es in Sachen Tanken und Heizen Neues.

Brüssel (dpa) - Die EU will im Kampf gegen den Klimawandel die
Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990
reduzieren. Eine in Brüssel von Unterhändlern der Mitgliedstaaten und
des Europaparlaments erzielte Einigung sieht zugleich vor, eine
umstrittene Maßnahme für mehr Klimaschutz um ein Jahr zu verschieben,
wie aus Mitteilungen beider Seiten hervorgeht. Der Kompromiss muss
jetzt noch formal besiegelt werden, was aber als Formsache gilt.

In der EU gab es schon vor der Einigung festgeschriebene Klimaziele,
bei dem jetzigen handelt es sich um eine weitere Zwischenetappe. Bis
2030 müssen die Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Bis
2050 will die EU klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase
ausstoßen als wieder gebunden werden können. Der Europäischen
Umweltagentur (EEA) zufolge ist die EU derzeit weitgehend auf Kurs,
das Ziel für 2030 zu erreichen. Laut EU-Klimagesetz braucht es aber
auch noch ein verbindliches Ziel bis 2040. Ein genauer Termin dafür,
wann es nun in Kraft treten soll, ist nicht bekannt.

Bundesumweltminister Carsten Schneider nannte das neue Ziel «die
wahrscheinlich wichtigste klimapolitische Entscheidung dieser
Legislatur». Besonders die deutsche Wirtschaft werde von diesem
Beschluss profitieren, weil die gesamte EU künftig noch stärker
gemeinsam vorangehe. «Vorausschauender Klimaschutz macht uns als EU
wettbewerbsfähiger und trägt zur Stärke unseres Wirtschaftsstandorts

bei», so der SPD-Politiker.

Vorschlag der Kommission deutlich abgeschwächt

Der nun erzielten Einigung mit dem Europaparlament waren lange
Debatten unter den EU-Ländern vorangegangen. Grundlage für das
2040er-Ziel war ein im Juli präsentierter Vorschlag der Europäischen
Kommission, der nun deutlich abgeschwächt wurde. Mit Blick auf
wirtschaftliche Belastungen, ein angespanntes geopolitisches Umfeld
und Probleme der Industrie hatte sich in einigen EU-Staaten
Widerstand geregt - etwa gegen die Reduzierung um 90 Prozent, die
teils als zu hoch kritisiert wurde.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte nun, die Einigung sei
pragmatisch und ambitioniert, liefere Tempo, Vorhersehbarkeit und
Flexibilität. «Vor allem zeigt sie, dass Klima, Wettbewerbsfähigkeit

und Unabhängigkeit Hand in Hand gehen, und sendet ein starkes Signal
an unsere globalen Partner», so der Niederländer.

Klimaschutz im Ausland anrechnen

Während die Staatengemeinschaft die bestehenden Klimaziele auf
eigenem Boden erreichen muss, können für das neue Zwischenziel bis zu
fünf Prozentpunkte ab 2036 durch Klimazertifikate aus dem Ausland
erzielt werden. Die Details dafür müssen allerdings noch geklärt
werden.

Mit Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern sollen
Treibhausgasemissionen, die in der EU entstehen, verrechnet werden
können: So soll es möglich sein, Emissionsgutschriften für Projekte
der Kohlenstoffspeicherung oder -entnahme aus der Atmosphäre zu
kaufen und den inländischen Reduktionen zuzuschlagen.

Bei der Nutzung von Auslandszertifikaten zur Kompensation befürchten
Kritiker, dass wirtschaftlich weniger leistungsstarke Staaten im
Globalen Süden ihre nationalen Klimaziele bewusst niedriger ansetzen,
um sich Aufstockungen von den Europäern bezahlen zu lassen - oder
dass Minderungen doppelt angerechnet werden könnten.

Preisexplosion beim Heizen soll verhindert werden

Die Unterhändler der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments
einigten sich nun zudem darauf, Brennstoffe wie Benzin und Erdgas
erst ab 2028 und damit ein Jahr später als geplant in das
Handelssystem mit Treibhausgas-Zertifikaten einzubeziehen. Damit
sollen große Preissprünge für Verbraucher beim Tanken und Heizen
vorerst vermieden werden. 

Beim sogenannten Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum
Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Eigentlich sollten schon ab
2027 auch Brennstoffe einbezogen werden, was besonders den Verkehrs-
und Gebäudebereich betrifft.

Treibhausgase sind Gase in der Erdatmosphäre, die zum Treibhauseffekt
beitragen und damit eine wichtige Rolle beim Klimawandel spielen. Zu
den klimarelevanten Treibhausgasen zählen beispielsweise Kohlendioxid
(CO2), Methan und Lachgas.

Ziel soll regelmäßig überprüft werden

Darüber hinaus wurde nun beschlossen, dass die EU-Kommission alle
zwei Jahre überprüfen soll, ob die EU sich in die richtige Richtung
bewegt - und ob das 2040er-Ziel mit Europas Wettbewerbsfähigkeit und
wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist. Wenn nötig, soll die
Kommission auch neue Gesetzesvorschläge machen können. Sollten
Kohlenstoffsenken wie Wälder oder Moore weniger zur Senkung der
Emissionen beitragen als angenommen, soll das Reduktionsziel
verringert werden können.

Die Grünen-Abgeordnete Lena Schilling bezeichnet die Einigung auf 90
Prozent Emissions-Reduzierung als «hart erkämpften Meilenstein». «W
ir
haben um jeden Millimeter mehr Ambition gekämpft», sagte die
Österreicherin. Um das Ziel wirklich zu erreichen, brauche es aber
einen Kurswechsel in der EU, fügte Schilling hinzu: «Mit dem jetzigen
Aushöhlen und Abschwächen von Klimagesetzen werden wir dieses Ziel
nicht erreichen.»

Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives
sprach von einem positiven Signal: «Entgegen der politischen Rhetorik
in vielen Ländern ist Klimaschutz weiterhin konsensfähig.» Das neue
Ziel schaffe Klarheit für Investoren und Unternehmen, so könnten
Innovation und Wettbewerbsfähigkeit vorangetrieben werden.