EU-Kommission will Rücknahme von Verbrenner-Aus vorschlagen Von Marek Majewsky und Niklas Treppner, dpa
11.12.2025 18:51
Ab 2035 könnten weiterhin Verbrenner zugelassen werden - aber nur
unter bestimmten Bedingungen. Aus der EU-Kommission sickern nun
Details zu einem geplanten Vorschlag durch.
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission will eine Rücknahme des sogenannten
Verbrenner-Aus vorschlagen. Die Behörde will nach derzeitigem Stand
der Planung empfehlen, auch nach 2035 Neuwagen mit
Verbrennertechnologie zuzulassen, wie der Deutschen Presse-Agentur
aus Kommissionskreisen bestätigt wurde. Der Vorschlag muss noch vom
Kollegium der EU-Kommissarinnen und -Kommissare angenommen werden.
Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich 2022
eigentlich darauf geeinigt, dass Neuwagen in der EU ab 2035 im
Betrieb kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr ausstoßen
dürfen. Hintergrund sind die sogenannten Flottengrenzwerte, die
eigentlich eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von neu zugelassenen
Autos bis 2035 um 100 Prozent vorsehen.
Von dieser Vorgabe soll nach Angaben aus Kommissionskreisen nun
Abstand genommen werden. Ausgestoßene Klimagase sollen aber durch
andere Maßnahmen vollständig kompensiert werden. Dies wäre zum
Beispiel durch den Einsatz von umweltfreundlich hergestelltem «grünen
Stahl» denkbar.
Vorgesehen sind Ausnahmen unter anderem für Plug-in-Hybride und
E-Autos mit sogenannten Range-Extendern, bei denen kleine
Verbrennungsmotoren die Reichweite erhöhen. Ob die Ausnahmen auch für
klassische Benzin- und Dieselfahrzeuge gelten, war zunächst unklar.
CSU-Politiker Weber spricht von 90 Prozent Reduktion
Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber sagte der «Bild»-Zeitung:
«Bei Neuzulassungen ab 2035 soll nun statt 100 Prozent eine
90-prozentige Reduktion des CO2-Ausstoßes für die Flottenziele der
Automobilhersteller verpflichtend werden.» Auch ab 2040 wird es
Webers Angaben zufolge kein 100-Prozent-Ziel geben.
Die EU-Kommission wollte den Bericht auf Anfrage zunächst nicht
kommentieren. Dem Vorschlag der Kommission müssen auch das
Europaparlament und die EU-Staaten zustimmen. Eine Sprecherin sagte
auf Anfrage: «Interne Vorbereitungen und Diskussionen laufen im
Hinblick auf die Annahme durch das Kollegium in der nächsten Woche.»
Kompromisssuche noch nicht abgeschlossen
Auf welchen Kompromiss sich die Institutionen einigen werden, ist
noch offen. Frankreich und Spanien hatten sich im Oktober in einem
gemeinsamen Brief dafür ausgesprochen, die ursprünglich getroffenen
Vorgaben weitgehend beizubehalten.
Wie die französische Zeitung «Les Echos» berichtet, hat Frankreich am
Dienstag ein Schreiben an Kommission geschickt. Die Regierung
bekräftigt demnach darin, dass sie offen für Anpassungen sei. «Wir
unterstützen die Einführung gezielter Flexibilität, insbesondere im
Bereich der Technologieneutralität, sofern diese mit klaren
regulatorischen Anreizen für eine industriefreundliche Produktion in
Europa einhergehen und davon abhängig gemacht werden», zitiert «Les
Echos» aus dem Schreiben.
Kritik von Grünen
«Eine Aufweichung der Ziele ist schlecht für den Wirtschaftsstandort
Europa», kritisierte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im
Europaparlament, Terry Reintke. Ein Schlingerkurs schaffe
Planungsunsicherheit, anstatt die europäische Autoindustrie an die
Spitze der Entwicklung der E-Mobilität zu führen.
Präsentation für kommende Woche vorgesehen
Die Brüsseler Behörde will ihre Vorschläge für mögliche Änderun
gen am
sogenannten Verbrenner-Aus nächste Woche vorstellen. Neben
Vorschlägen zum Verbrenner-Aus sollen demnach auch weitere Maßnahmen
wie eine Batterie-Strategie und Vorschläge für umweltfreundlichere
Dienstwagen vorgelegt werden.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betonte, die Kommission
werde ihre Vorschläge in der nächsten Woche offiziell vorstellen,
«dies gilt es jetzt erst einmal abzuwarten». Für die deutsche
Automobilindustrie sei und bleibe entscheidend, dass ein
technologieoffener und pragmatischer Lösungsansatz gewählt werde.
Der scheidende BMW-Chef Oliver Zipse teilte mit, eine Abkehr vom
strikten Technologie-Verbot ab 2035 sei ein starkes Signal. Weber
sehe, dass Klimaschutz nicht auf Verboten basieren dürfe.
Kanzler schrieb Brief an EU-Kommission
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach sich in den vergangenen
Wochen immer wieder vehement für Änderungen an dem geplanten Verbot
aus. Erst Ende November bat er die EU-Kommission in einem Brief, die
Regulierung zum Verbrenner-Aus zu korrigieren. Nach 2035 sollten
neben rein batterieelektrischen Fahrzeugen weiterhin Fahrzeuge mit
doppeltem Antrieb - also Batterie und Verbrenner - zugelassen werden.
Zuvor hatte sich die schwarz-rote Koalition darauf verständigt, sich
auf EU-Ebene auch für die Zulassung «hocheffizienter Verbrenner»
einzusetzen.
Forscher sehen Kippen des Verbrenner-Aus zum Teil skeptisch
Patrick Plötz, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für System- und
Innovationsforschung in Karlsruhe, nannte eine Aufweichung des
Null-Gramm-Ziels für 2035 einen grundsätzlich falschen Weg. Der
Absatz von Pkw mit Verbrennungsmotor sinke global seit Jahren,
zitiert das Science Media Center (SMC) den Forscher.
«Planungssicherheit und Glaubwürdigkeit sind zentrale Elemente
langfristiger Industrie- und Klimapolitik und voll durch das
2035-Ziel gegeben», sagte er.
Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der Technischen
Universität München (TUM), teilte dem SMC mit: «Falls die EU auch
nach 2035 Neuwagen mit Verbrennungsmotor zulässt, hilft das der
europäischen Autoindustrie nur kurzfristig.»
Achim Kampker, Ingenieur und Professor an der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule Aachen (RWTH), hält eine Aufweichung dagegen
für sinnvoll, um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhalten:
«Parallel dazu müssen aber die Rahmenbedingungen für den Standort
Deutschland massiv verbessert werden, damit der Aufbau der
Wertschöpfungsketten für Batterie und Wasserstoff gelingen kann.»
