Abgabe auf Importe von Billigwaren in EU Von Katharina Redanz, dpa
12.12.2025 15:59
Von Online-Händlern wie Shein, Temu, AliExpress und Co. kommen
unzählige Pakete in die EU. Um die Paketflut einzudämmen, soll es für
die Importeure nun teurer werden - und somit auch für Verbraucher?
Brüssel (dpa) - Die EU erhöht im Kampf gegen unerwünschte
Billigimporte die Importkosten. Die Mitgliedsstaaten verständigten
sich darauf, dass jedes Paket mit einem Warenwert bis 150 Euro ab
Juli 2026 mit einer Abgabe in Höhe von drei Euro belegt ist.
Die von den Finanzministern der EU bei einem Treffen in Brüssel
beschlossene Vorgabe dürfte etwa Online-Händler wie Shein, Temu,
AliExpress oder auch Amazon betreffen. Erhoben werden soll die Abgabe
von den nationalen Zollbehörden. Bislang können Pakete mit einem Wert
von bis zu 150 Euro zollfrei in die Staatengemeinschaft eingeführt
werden.
Abgabe ist Zwischenlösung
Die neue Abgabe ist allerdings nur vorübergehend geplant, denn
künftig sollen alle in die EU importierten Waren ab dem ersten Euro
zollpflichtig sein. Ob günstige Produkte dadurch teurer werden, ist
noch unklar. Theoretisch könnten auch die Produzenten oder Importeure
die Mehrkosten übernehmen.
Der Online-Handel hat in den vergangenen Jahren zu einem
exponentiellen Anstieg bei Lieferungen kleiner Warenpakete mit
geringem Wert in die EU geführt. Laut EU-Kommission kamen 2024
täglich rund zwölf Millionen Pakete in der EU an - deutlich mehr als
in den beiden Vorjahren.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sagt: «Wir wollen unsere Märkte
vor einer Flut an Ramschware schützen, die keinerlei
Qualitätsstandards genügt und unserem Einzelhandel schadet.» Die Zahl
der Zollabfertigungen im Online-Handel habe sich allein im letzten
Jahr mehr als vervierfacht, die absolute Mehrheit dieser Pakete komme
aus China. «Es geht hierbei immer mehr um Billigprodukte und
Fälschungen, die gesundheitsschädlich sind oder keine
Sicherheitsstandards einhalten.»
Freigrenze soll ab 2028 abgeschafft werden
Im November hatten sich die EU-Staaten darauf verständigt, die
derzeit geltende 150-Euro-Freigrenze abzuschaffen. Die von der
Bundesregierung unterstützte neue Regelung soll aber erst von 2028 an
gelten, wenn auch eine digitale Plattform zur Abwicklung und
Kontrolle an den Start gehen soll. Mit dem Abschaffen der Freigrenze
soll etwa sichergestellt werden, dass alle Händler - unabhängig von
ihrem Standort - die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte zuletzt betont, er sei
bemüht, in der Europäischen Union zu vermeiden, dass es unfaire
Handelspraktiken gebe. Man sehe derzeit einen systematischen
Missbrauch der Zollfreiheit von 150 Euro pro Päckchen in Deutschland,
durch massenhafte Sendungen vor allem aus China. Der gewaltige
Missbrauch der Freigrenzen müsse gestoppt werden.
Kampf gegen Betrug
Zudem soll mit den neuen Vorgaben Betrug angegangen werden: Der
Europäischen Kommission nach wird Schätzungen zufolge bei 65 Prozent
der in die EU geschickten Pakete bewusst ein zu niedriger Wert in der
Zollanmeldung angegeben, um die Befreiung in Anspruch zu nehmen. Das
wirkt sich der Behörde zufolge nachteilig auf EU-Unternehmen aus, die
nicht mit den entsprechend niedrigeren Verkaufspreisen konkurrieren
können - insbesondere kleine und mittlere Unternehmen.
Außerdem sei die Befreiung für Importeure ein Anreiz, größere
Bestellungen beim Versand in die EU auf kleinere Pakete aufzuteilen,
so die Kommission. Das trage weiter zu ungleichen
Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen bei und verursache
darüber hinaus unter anderem Verpackungsmüll.
EU-Kommission erwägt weitere Abgabe
Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop, nannte
die Maßnahmen der EU erste Schritte, um die Paketflut einzudämmen.
«Außerdem müssen Online-Marktplätze grundsätzlich zur Verantwortu
ng
gezogen werden, wenn sie unsichere oder gefährliche Produkte
vertreiben», forderte sie weiter. Eine Untersuchung der Stiftung
Warentest habe kürzlich wieder gezeigt, dass besonders Produkte im
Preissegment unter 150 Euro häufig nicht den EU-Regelungen
entsprächen, mahnte Pop.
Neben der beschlossenen vorübergehenden Abgabe und der Zollpflicht ab
2028 auch für günstige Produkte erwägt die EU-Kommission Berichten
zufolge angesichts der rasant steigenden Zahl von Paketen aus
Drittstaaten eine Pauschalabgabe von bis zu zwei Euro auf
entsprechende Bestellungen.
Shoppingportale bei Verbrauchern beliebt
Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) werden täglich
etwa 400.000 Pakete von Shein und Temu an deutsche Kunden verschickt.
Der Umsatz der beiden Portale in Deutschland lag 2024 demnach
zwischen 2,7 und 3,3 Milliarden Euro. Laut HDE kauften im vergangenen
Jahr mehr als 14 Millionen Menschen hierzulande bei Temu und Shein
ein.
Die beiden Shoppingportale erfreuen sich bei Verbrauchern großer
Beliebtheit. Laut einem aktuellen Ranking des
Handelsforschungsinstituts EHI war Shein 2024 bereits der siebtgrößte
Onlineshop in Deutschland. Temu belegt bei den Marktplätzen den 4.
Rang.
Die beschlossene Abgabe bezeichnet der Verband als wichtige Maßnahme.
«Die gemeinsame, europäische Maßnahme zeigt Drittstaatenhändlern,
dass sie mit ihren Regelverstößen in der gesamten EU nicht länger
durchkommen. Diese Geschlossenheit sendet ein starkes Signal in die
Welt», so HDE-Präsident Alexander von Preen.
Temu ist ein Online-Marktplatz, auf dem zahlreiche Unternehmen
verschiedene Waren verkaufen. Das chinesische Unternehmen ist seit
Frühjahr 2023 in Deutschland aktiv und sorgt immer wieder mit
Minipreisen und hohen Rabatten für Aufsehen. Produkte werden häufig
direkt vom Hersteller zum Kunden geliefert. Der in China gegründete
und heute in Singapur ansässige Modekonzern Shein ist sowohl
Hersteller, Händler als auch Marktplatz.
Online-Shops umstritten
Beide Anbieter sind umstritten. Politiker, Handelsvertreter und
Verbraucherschützer monieren unter anderem Produktqualität, mangelnde
Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Sie fordern eine
strengere Regulierung und besseren Schutz beim Online-Einkauf.
In Frankreich geriet Shein zuletzt vermehrt ins Visier der
Öffentlichkeit. Nachdem bekannt geworden war, dass bei dem
Online-Händler Sexpuppen mit kindlichem Aussehen angeboten wurden und
Waffen vertrieben werden sollen, leitete die französische Regierung
ein Verfahren gegen die Plattform ein. Im Zuge dessen kündigte die
Regierung an, am Pariser Flughafen 200.000 Shein-Pakete zu
kontrollieren. Shein will mit den Behörden zusammenarbeiten.
