EU friert russisches Vermögen dauerhaft ein Von Ansgar Haase, dpa
13.12.2025 00:32
Wird in der EU festgesetztes Vermögen Russlands schon bald für die
Ukraine genutzt? Ein Schritt dahin ist jetzt getan. Kanzler Merz
freut sich über «ein klares Signal europäischer Souveränität».
Brüssel (dpa) - Die EU hat eine wichtige Grundlage für die Nutzung
von russischem Staatsvermögen für die Ukraine geschaffen. 25 der 27
Mitgliedstaaten stimmten dafür, eine Rückübertragung von in der EU
festgesetzten Mitteln nach Russland unbefristet zu verbieten. Dagegen
votierten nur Ungarn und die Slowakei. Sie argumentieren unter
anderem, dass das Vorgehen der EU die Bemühungen von US-Präsident
Donald Trump für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die
Ukraine torpedieren könnte.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte nach der Entscheidung,
der Beschluss stelle sicher, dass bis zu 210 Milliarden Euro an
russischen Mitteln auf EU-Boden blieben - es sei denn, Russland
leiste der Ukraine vollständige Wiedergutmachung für die durch den
Krieg verursachten Schäden. Man erhöhe damit den Druck auf Moskau,
ernsthaft zu verhandeln. Bundeskanzler Friedrich Merz teilte mit, er
freue sich über «ein klares Signal europäischer Souveränität» u
nd
verwies darauf, dass am Ende sogar die zunächst kritischen Länder
Italien und Belgien zustimmten.
Konkret geht es bei der jetzt getroffenen Entscheidung vor allem
darum, zu verhindern, dass ein Land wie Ungarn mit einem Veto gegen
EU-Sanktionsbeschlüsse die Freigabe der eingefrorenen Mittel
veranlassen kann. Derzeit sind die russischen Zentralbankgelder über
EU-Sanktionsbeschlüsse eingefroren, die alle sechs Monate einstimmig
verlängert werden müssen.
Diese Regelung gilt als Hindernis für den Plan, die Mittel für
langfristige Kredite an die Ukraine zu nutzen und nur dann eine
Rückzahlung an Russland zu ermöglichen, wenn das Land nach einem Ende
seines Angriffskriegs gegen die Ukraine Reparationszahlungen leistet.
Um das russische Geld unbefristet festzusetzen, berufen sich
Deutschland und die zustimmenden EU-Staaten auf Artikel 122 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. In ihm ist
festgelegt, dass bei gravierenden Wirtschaftsschwierigkeiten in der
EU mit sogenannter qualifizierter Mehrheit angemessene Maßnahmen
beschlossen werden können.
EU-Staaten berufen sich auf Schwierigkeiten durch Krieg
Dazu heißt es jetzt unter anderem, Russlands Krieg gegen die Ukraine
sorge weiter für schwere wirtschaftliche Herausforderungen. Er habe
unter anderem zu einem starken Anstieg der Preise für Öl, Gas und
Lebensmittel geführt. Die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur
Abmilderung der sozialen und ökonomischen Folgen hoher Energiepreise
beliefen sich in den Jahren 2022-2024 auf Hunderte Milliarden Euro.
Spätestens beim EU-Gipfel in der kommenden Woche hoffen Bundeskanzler
Friedrich Merz und andere Befürworter des Plans, auch den belgischen
Regierungschef Bart De Wever zu einer Zustimmung zur Nutzung der
russischen Gelder bewegen zu können. Ohne Belgien gilt die Umsetzung
dieses Vorhabens als äußerst schwierig, weil der mit Abstand größte
Teil der russischen Mittel, die für die Ukraine genutzt werden
sollen, von dem belgischen Unternehmen Euroclear verwaltet wird.
Dabei geht es um etwa 185 der insgesamt 210 Milliarden Euro in der
EU.
Belgische Regierung blockiert
Die belgische Regierung blockiert den Plan zur Nutzung der Gelder
bislang mit Verweis auf rechtliche und finanzielle Risiken. So sieht
sie unter anderem die Gefahr, dass Russland Vergeltung gegen
europäische Privatpersonen und Unternehmen übt und etwa Enteignungen
in Russland vornimmt.
Als Voraussetzungen dafür, dass Belgien ungeachtet der Gefahren doch
mitmacht, hatte De Wever zuletzt drei Bedingungen genannt. Demnach
muss garantiert sein, dass eine Vergemeinschaftung aller möglichen
Risiken erfolgt und ab dem ersten Moment der Umsetzung des Plans
ausreichend finanzielle Garantien bestehen, um potenziellen
finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
Zudem forderte er einen umfassenden Liquiditäts- und Risikoschutz für
alle durch den Plan betroffenen Bürger oder Unternehmen und eine
Beteiligung aller anderen EU-Länder, in denen ebenfalls noch
Vermögenswerte der russischen Zentralbank eingefrorenen wurden. Dazu
zählen neben Deutschland nach Angaben der EU-Kommission Frankreich,
Schweden und Zypern.
Nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer in
London sagte De Wever am Freitag, man sei sich einig, dass man die
Ukraine dabei unterstützen wolle, ein freies, demokratisches und
souveränes Land zu bleiben. Auf EU-Ebene stünden sehr wichtige
Entscheidungen an. Nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur
Belga fordert Belgien gemeinsam mit Italien, Bulgarien und Malta,
dass weiterhin auch alternative und «weniger riskante» Optionen zur
finanziellen Unterstützung der Ukraine geprüft werden.
Russische Zentralbank verklagt Euroclear in Moskau
Die Zentralbank in Moskau kündigte unterdessen an, Euroclear zu
verklagen. Als Gründe wurden aus russischer Sicht illegale und
verlustbringende Handlungen des Depotverwalters, aber auch die
erwogenen Mechanismen zur Nutzung russischen Vermögens genannt. Das
Verfahren soll vor einem Moskauer Schiedsgericht laufen.
Ungarn hatte am Donnerstag mitgeteilt, man behalte sich das Recht
vor, eine Überprüfung der EU-Entscheidung vor dem Gerichtshof der
Europäischen Union einzuleiten. Die Regierung teilte dazu mit, sie
sei «zutiefst besorgt über die jüngste Tendenz, einstimmige
Entscheidungsverfahren im Bereich der gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik zu umgehen». Aus ungarischer Sicht sei Artikel 122
keine korrekte Rechtsgrundlage für die geplanten Maßnahmen.
EU-Kommissar Valdis Dombrovskis sagte am Freitag, das Vorgehen sei
vollständig mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht vereinbar ist. Er
verwies zudem darauf, dass Finanzinstitute, die immobilisierten
russische Vermögenswerte hielten, sind vollständig vor Verfahren
geschützt seien.
