Warum die Elektromobilität nur langsam abhebt Von Christof Rührmair, dpa

13.12.2025 05:00

Die Stromerzahlen steigen, allerdings langsamer als einst erwartet.
Das ist ein Problem für Autokonzerne und EU. Woran es liegt.

München (dpa) - Die Ziele waren hoch: Bis 2030 sollte es in
Deutschland 15 Millionen Elektroautos geben, auch Europa und die
Industrie trieben die Elektrifizierung voran. Doch inzwischen zeigt
sich, dass es doch nicht so schnell geht: Aktuell dürften rund 2
Millionen reine Stromer (BEVs) auf den deutschen Straßen unterwegs
sein, wie sich aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes abschätzen
lässt. Das sind gerade einmal 4 Prozent des Pkw-Bestandes.

Die Stromer-Neuzulassungen steigen zwar - der bisherige Rekord von
524.219 BEVs aus dem Jahr 2023 wird dieses Jahr wohl ein Stück weit
übertroffen werden - doch eine echte Wende sieht anders aus. Das gilt
auch angesichts von 693.000 BEVs, die der Autoindustrieverband VDA
2026 erwartet. 

Ernüchterung und Gegenwind

Der zähe Anstieg der BEV-Verkäufe hat inzwischen nicht nur für
Ernüchterung, sondern sogar Gegenwind gesorgt - insbesondere für das
sogenannte Verbrenner-Verbot in der EU ab 2035. Die EU-Kommission
überprüft ihre entsprechende Verordnung derzeit und wird
voraussichtlich kommende Woche mögliche Änderungen vorstellen. Nach
derzeitigem Stand will sie empfehlen, auch nach 2035 Verbrenner
zuzulassen.

Das Problem gibt es nicht nur in Deutschland: In Frankreich ist der
Anteil von reinen Elektroautos im Bestand ähnlich wie hierzulande, in
Italien und Spanien sogar deutlich niedriger, wie Zahlen von PwC
Autofacts zeigen. 

Doch warum geht es mit Elektroautos nach wie vor eher zäh voran? Die
Antwort ist komplex - und kommt auch darauf an, wen man fragt.

Am Anfang waren Preis und Reichweitenangst

In den Anfängen der Elektromobilität bremsten nach Ansicht des ADAC
vor allem das begrenzte Modellangebot und die hohen Preise. Dazu
kamen Reichweitenangst und mangelnde Ladeinfrastruktur. Doch
inzwischen gibt es mehr Ladesäulen, mehr als 200 Modelle werden
angeboten und die Reichweiten und Ladegeschwindigkeiten sind
alltagstauglich.

«Inzwischen hätten wir eigentlich ein ausreichendes Angebot an
Elektroautos und auch der Preisunterschied zu den Verbrennern ist
inzwischen durch höhere Rabatte weitgehend verschwunden», sagt
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Er sieht einen anderen Grund:
«Die Kunden sind durch das Hin und Her der vergangenen Jahre
verunsichert. Mit der Umwelt-Prämie hatten wir ordentliche Zuwächse,
aber dann kam der Bruch durch das plötzliche Ende der Förderung»,
kritisiert er. «Dazu kommen populistische Äußerungen aus der Politik

und die Kampagne der Hersteller gegen das Verbrenner-Aus. Letztlich
haben wir es also selbst kaputtgemacht.»

In diese Kerbe schlägt auch der Präsident des Zentralverband
Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn. «Wer heute ein
BEV kaufen soll, braucht Verlässlichkeit - bei Kosten, Förderung und
Infrastruktur. Doch genau diese Verlässlichkeit fehlt», sagt er.
«Schwankende Strompreise, kurzfristig gestrichene Prämien und eine
vielerorts unzureichende Ladeinfrastruktur führen dazu, dass die
Gesamtbetriebskosten eines BEV für breite Zielgruppen einfach nicht
attraktiv genug sind. Solange diese Rahmenbedingungen nicht planbar
und bezahlbar werden, wird die Nachfrage kein nachhaltiges
Marktniveau erreichen.»

VDA kritisiert Ladeinfrastruktur

Die Rahmenbedingungen stehen auch für VDA-Präsidentin Hildegard
Müller im Zentrum: «Insbesondere der immer noch nicht ausreichende
Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie die hohen Preise an den
Ladesäulen sorgen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern weiter
für Zurückhaltung.» 

Auch Harald Wimmer von der Unternehmensberatung PwC kritisiert den
fehlenden Willen der Politik, konsequent und stringent zu fördern.
Zudem wirkten Vorurteile aus der Anfangszeit mit teuren Produkten,
die nicht den ästhetischen Ansprüchen des Marktes entsprachen nach.
Und nicht zuletzt gebe es in Deutschland kulturell «eine starke
Bindung an den Verbrenner, während in China Stolz und Identifikation
mit neuen, meist elektrischen Marken den Wechsel fördern».

Doch - der Stromer ist wirklich klimafreundlicher

Lange Zeit hatten Kritiker zudem angeführt, dass Elektroautos - unter
anderem wegen eines höheren CO2-Ausstoßes bei der Produktion -
angeblich gar nicht klimafreundlicher seien als moderne Verbrenner.
Aktuelle Zahlen sprechen allerdings eine völlig andere Sprache:
Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und
Innovationsforschung ISI geht davon aus, dass heute in Deutschland
gekaufte Mittelklasse-Stromer von der Herstellung über die Nutzung
bis zur Entsorgung etwa 40 bis 50 Prozent weniger Treibhausgase
verursachen. Und mehr Ökostrom und Recycling könnten dies weiter
verbessern. 

Das International Council on Clean Transportation kam jüngst sogar
auf noch höhere Einsparungen und auch Hersteller BMW kommt beim
Vergleich seiner eigenen Elektroautos mit eigenen vergleichbaren
Verbrennern in Sachen Klima zu klaren Siegen für die Stromer: Mit
200.000 Kilometern in 15 Jahren kommt beispielsweise der neue
elektrische ix3 50 xDrive beim europäischen Strommix auf 23 Tonnen
CO2, der vergleichbare Verbrenner X3 20 xDrive auf 52,8 Tonnen. 

Die Industrie hat ein Renditeproblem

Das mangelnde Interesse der Kunden ist das eine, doch auch die
Industrie hat eine innere Hemmung gegen hohe Stromeranteile: Lange
Zeit verdiente sie an einem verkauften Verbrenner deutlich mehr. Das
soll sich zwar langsam ändern - BMW beispielsweise erwartet bei den
Modellen der Neuen Klasse etwa gleiche Erträge für Stromer und
Verbrenner - doch das gilt noch längst nicht für alle Modelle auf dem
Markt.

Dennoch haben die deutschen Hersteller und Zulieferer hohe
Milliardenbeträge in den Hochlauf der E-Mobilität investiert, wie der
VDA betont. «Sie ist der Hauptpfad auf dem Weg in die
Klimaneutralität», sagt Müller. Und sie hofft auf ein weiteres
Anziehen: «Günstige Modelle für unter 25.000 und unter 20.000 Euro
sind für die kommenden Jahre bereits angekündigt.» Wenn die
politischen Rahmenbedingungen nachgebessert würden, sei sie sich
sicher, «dass sich in den kommenden Jahren immer mehr Menschen
bewusst und aus Überzeugung für ein E-Auto entscheiden». 

Dennoch steht jetzt wohl erst einmal ein Aufweichen des
Verbrenner-Aus an. Dudenhöffer warnt davor: «Das Festhalten am
Verbrenner wird die Autoindustrie nicht retten. Das führt nur dazu,
dass wir den Anschluss an China endgültig verlieren.»