EU-Kommission schlägt Aus vom Verbrenner-Aus vor Von Marek Majewsky, dpa

16.12.2025 19:29

Auch nach 2035 könnten Neuwagen mit Verbrennungstechnologie noch
zugelassen werden. Die EU-Kommission will Klimaziele und
Vorstellungen der Autobauer unter einen Hut bringen.

Straßburg (dpa) - In der EU sollen nach dem Willen der EU-Kommission
auch nach 2035 Autos mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden
können. Die Brüsseler Behörde schlägt eine entsprechende Änderung
des
sogenannten Verbrenner-Aus vor. Eigentlich hatten sich Unterhändler
der EU-Staaten und des Europaparlaments vor rund drei Jahren darauf
verständigt, dass Neuwagen ab 2035 kein klimaschädliches CO2 mehr
ausstoßen dürfen. 

Von diesem 100-Prozent-Reduktionsziel wird nun Abstand genommen.
Künftig soll es Ausnahmen geben, wonach nur noch bis zu 90 Prozent
CO2 im Vergleich zum Basisjahr 2021 eingespart werden müssen.
Voraussetzung ist, dass der CO2-Ausstoß durch die Verwendung von
umweltfreundlichem Stahl und mehr klimafreundlicheren Kraftstoffen
ausgeglichen wird. Nach Angaben der Kommission sollen die Ausnahmen
für alle Autos gelten, die Hersteller nach 2035 auf den Markt bringen
wollen. 

Nun müssen sich das Europaparlament und die EU-Staaten mit den
Vorschlägen beschäftigen. Sie bewerten die Reform und können
Änderungen vornehmen. Beide Institutionen können das Vorhaben also
noch abschwächen oder verschärfen. Am Ende ist eine ausreichende
Mehrheit in beiden Institutionen erforderlich. Wie lange das dauern
wird, ist noch unklar. 

Biokraftstoffe und E-Fuels 

Künftig sollen durch Biokraftstoffe und E-Fuels Emissionen
ausgeglichen werden. Bereits jetzt wird Biokraftstoff Benzin
beigemischt und als E10 verkauft. Durch höhere Beimischungsquoten von
etwa aus organischen Abfällen hergestellten Biokraftstoffen können
die CO2-Emissionen des bestehenden Verkehrs gesenkt werden. Eine
besondere Rolle für Autos, die ausschließlich mit klimafreundlich
hergestellten E-Fuels betankt werden können, soll es nicht geben. 

Dienst- und Firmenwagen sollen grüner werden 

Die EU-Kommission wird Vorgaben machen, wie groß der Teil von
klimafreundlichen Fahrzeugen in Dienst- und Firmenwagenflotten je
nach Mitgliedsland sein soll. Betroffen sind den Plänen nach
Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und mehr als 50 Millionen
Euro Umsatz. Die Kommission betont, dass ein großer Vorteil sei, dass
diese Fahrzeuge viel schneller auf den Gebrauchtwagenmarkt kommen und
somit normalen Verbraucherinnen und Verbrauchern zugänglich gemacht
werden. 

Förderung bezahlbarer E-Autos 

Automobilhersteller sollen von sogenannten Super-Gutschriften
profitieren können, wenn sie kleine, erschwingliche Elektroautos in
der EU bauen. «Dies wird Anreize für die Markteinführung weiterer
kleiner Elektrofahrzeugmodelle schaffen», so die Kommission. Als
Größengrenze nannte die Brüsseler Behörde eine Länge von bis zu 4
,2
Metern. Weitere Anreize - die zum Kauf solcher Autos motivieren
sollen - können die EU-Mitgliedstaaten und lokale Behörden
entwickeln. 

Merz begrüßt Vorhaben 

Es sei gut, dass die Brüsseler Behörde «nach dem klaren Signal der
Bundesregierung» die Regulierung öffne, erklärte Kanzler Friedrich
Merz (CDU). «Mehr Technologieoffenheit und mehr Flexibilität sind
richtige Schritte - um Klimaziele, Marktrealitäten, Unternehmen und
Arbeitsplätze besser zusammenzubringen.» Die Vorschläge der
EU-Kommission würden nun geprüft. Neue gesetzliche Quoten für
Dienstwagenflotten lehne man aber weiter ab. 

Autoindustrie reagiert entsetzt 

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht den Vorschlag der
Kommission äußerst kritisch: «Brüssel enttäuscht mit seinem
vorgelegten Entwurf», so VDA-Präsidentin Hildegard Müller. In Zeiten

zunehmenden internationalen Wettbewerbs sei dieses Gesamtpaket aus
Brüssel fatal. Wenn die Kommission von Technologieoffenheit spreche,
sei das in diesem Fall nur ein Lippenbekenntnis. 

Die Ursachen der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit des Standorts
Europas würden nicht einmal angesprochen. Weder bei grünem Stahl noch
bei der Beimischung von umweltfreundlicheren Kraftstoffen liege die
jeweilige Verfügbarkeit in der Macht der Autoindustrie. «Das heißt im

Klartext: Unsere Industrie ist - wie schon bei der Ladeinfrastruktur
- erneut auf Entwicklungen angewiesen, die sie nicht beeinflussen
kann.» 

Verschiedene Lager 

Bundesumweltminister Carsten Schneider, dessen Ministerium innerhalb
der Bundesregierung federführend zuständig ist, äußerte sich wie Me
rz
positiv. «Die Regeln werden flexibler, aber die Klimawirkung bleibt
erhalten», erklärte der SPD-Politiker. Er sprach von einem
pragmatischen Mittelweg, der auch die Anliegen der Gewerkschaften
aufgreife. 

Positiv blickt auch EVP-Chef Manfred Weber (CSU) auf die Vorschläge.
«Die Ingenieure und Kunden entscheiden über den Motor der Zukunft,
nicht die Politik», so Weber. Mit dieser Technologieoffenheit werde
Klarheit für Beschäftigte in der Autobranche geschaffen.
Umweltschützer kritisieren die Vorschläge als Abschwächungen beim
Klimaschutz. 

Kritik kommt von Grünen und FDP. Der liberale Europaabgeordnete Glück
sagte: «Die Union ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger
gelandet.» Sein Grünen-Amtskollege Michael Bloss teilte mit, dass die
europäische Autoindustrie durch den Vorschlag im Wettlauf mit China
geschwächt werde. «Diese Entscheidung bedeutet, dass Menschen weniger
E-Autos kaufen und Unternehmen weniger in Batterien und E-Mobilität
investieren.» 

Auch Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer lässt sich über den
Vorschlag der Kommission aus und bezeichnet ihn als «Sammelsurium von
Boni, Subventionen, Rechen-Tricks und Protektion.» Man hätte auch
gleich Geld den Autobauern geben können, so der Experte vom Center
Automotive Research in Bochum.