EU-Gerichtshof: Frontex haftet für Grundrechtsverletzungen
18.12.2025 12:06
Ein Urteil mit Signalwirkung: Frontex könnte nach einer Entscheidung
des höchsten europäischen Gerichts für rechtswidrige Rückführunge
n
zur Kasse gebeten werden. Eine syrische Familie bekam Recht.
Luxemburg (dpa) - Die europäische Grenzschutzagentur Frontex haftet
einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zufolge für
Grundrechtsverletzungen bei Abschiebungen. Frontex sei nach dem
EU-Recht verpflichtet, bei sogenannten Rückkehraktionen Grundrechte
Asylsuchender zu schützen, so die Richterinnen und Richter in
Luxemburg. Dazu gehöre auch, zu prüfen, ob für alle Betroffenen
solcher Aktionen Rückkehrentscheidungen vorliegen.
Nun muss das Gericht der Europäischen Union - eine Instanz unter dem
EuGH - die Schadenersatzklage einer Familie syrischer Kurden noch
einmal prüfen. Die Eltern mit ihren vier Kindern waren nur wenige
Tage nach ihrer Ankunft auf einer griechischen Insel im Rahmen einer
von Frontex koordinierten Rückkehraktion in die Türkei geflogen
worden - obwohl sie erklärt hatten, Asyl beantragen zu wollen. Später
floh die Familie aus Angst vor einer Abschiebung nach Syrien in den
Irak.
Schadenersatzklage wurde in erster Instanz abgewiesen
Die Betroffenen sahen in der Rückkehraktion eine rechtswidrige
Zurückweisung und verlangten Schadenersatz in Höhe von knapp 140.000
Euro von Frontex. Das Gericht der Europäischen Union wies die Klage
der Familie im Jahr 2023 ab. Es argumentierte, dass es keinen
direkten Zusammenhang zwischen einem möglichen Fehlverhalten von
Frontex und dem geltend gemachten Schaden gegeben habe.
Der EuGH ist der Ansicht, dass das Gericht in erster Instanz zu
Unrecht davon ausgegangen sei, dass Frontex den Mitgliedstaaten
lediglich technische und operative Unterstützung leiste, ohne prüfen
zu müssen, ob eine Rückkehrentscheidung vorliegt. Zudem betonte der
Gerichtshof, dass mögliche Grundrechtsverletzungen während eines
Rückführungsflugs nicht allein dem beteiligten Mitgliedstaat - hier
Griechenland - zugerechnet werden könnten. Auch eine Haftung von
Frontex komme in Betracht. Das erste Gericht habe die Rolle der
Agentur bei der Rückkehraktion daher nicht richtig bewertet.
Das Gericht der EU muss darüber hinaus eine zweite Schadenersatzklage
gegen Frontex erneut prüfen. Der EuGH verwies in einer weiteren
Entscheidung den Fall eines Syrers zurück, der behauptet, Opfer eines
Pushbacks geworden zu sein. Er fordert 500.000 Euro von der
Grenzschutzagentur. Seine Klage wurde zuvor mit der Begründung
abgewiesen, er habe den Schaden nicht bewiesen. Der Gerichtshof
entschied, dass das erste Gericht in dem Fall aber hätte Maßnahmen
treffen müssen, um von Frontex alle relevanten und ihr verfügbaren
Informationen zu erhalten.
