Mercosur: Merz rechnet trotz Verschiebung mit Einigung Von Ansgar Haase, Marek Majewsky und Katharina Redanz, dpa
19.12.2025 15:31
Das Mercosur-Abkommen zwischen der EU und vier südamerikanischen
Staaten verzögert sich. Für Kanzler Merz ist es eine herbe
Enttäuschung - er bleibt trotzdem optimistisch.
Brüssel (dpa) - Die Unterzeichnung des für die deutsche Wirtschaft
wichtigen EU-Freihandelsabkommens mit südamerikanischen Staaten wie
Brasilien und Argentinien kann wegen einer von Italien gewünschten
Verschiebung frühestens im nächsten Jahr erfolgen. Bundeskanzler
Friedrich Merz äußerte sich nach dem EU-Gipfel in Brüssel dennoch
zufrieden. Die italienische Regierung habe zugesagt, dass der
eigentlich für diesen Samstag geplante Termin in Brasilia spätestens
Mitte Januar nachgeholt werden könne, sagte er. Es sei jetzt sicher,
dass das Mercosur-Abkommen in Kraft treten könne.
Die Verhandlungen für den Deal mit Argentinien, Brasilien, Paraguay
und Uruguay hatten bereits 1999 begonnen. Bolivien ist zwar seit Juli
2024 formell Mitglied des Blocks, befindet sich jedoch noch im
Prozess der Umsetzung der Mercosur-Normen und ist nicht
Vertragspartei des Abkommens mit der EU.
Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre
nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und
soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von
US-Präsident Donald Trump setzen. Geplant ist, Zölle und
Handelsbarrieren zwischen der EU und der südamerikanischen
Wirtschaftsorganisation Mercosur weitestgehend abzubauen.
Dämpfer für Merz
Für Bundeskanzler Merz ist die Verschiebung ein Dämpfer. Er hatte
noch am Donnerstag zu Beginn eines EU-Gipfels in Brüssel gesagt, wenn
die Europäische Union in der Handelspolitik auf der Welt glaubwürdig
bleiben wolle, dann müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden.
«Und die Entscheidung kann nur lauten, dass Europa zustimmt und dass
die Kommissionspräsidentin und der Ratspräsident morgen nach
Südamerika reisen und dieses Abkommen unterzeichnen», fügte er
hinzu.
Merz hatte schon im Juni gesagt, dass es in der EU keine
grundsätzlichen Einwände mehr gegen das Abkommen gebe. Beim
Oktober-Gipfel verkündete er dann bei einer Pressekonferenz
versehentlich eine Einigung. «Es ist erledigt. Es ist durch», sagte
er. Der Weg für das Abkommen sei frei. Kurz darauf wurde er von
Ratspräsident António Costa korrigiert.
Wirtschaft drängt auf Abkommen
Zahlreiche Industriebranchen zeigten sich enttäuscht von der
Verschiebung. «Die erneute Verschiebung ist ein Rückschlag für
Europas Glaubwürdigkeit als geostrategischer Akteur», kritisierte
Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen
Industrie (BDI).
Auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die
Verschiebung eine «schlechte Nachricht». Die EU sende in Zeiten, in
denen eine starke europäische Wirtschaft entscheidend sei, ein
Zeichen der Schwäche und setze ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel,
kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Aus der Chemieindustrie
hieß es, die Frustration wachse und eine scheinbar endlose
Hängepartie scheine sich fortzusetzen.
Einigung auf stärkeren Schutz von Landwirten
Eigentlich war gehofft worden, dass am Mittwoch vereinbarte
Schutzklauseln für die Landwirtschaft den Abschluss des Abkommens
bereits an diesem Samstag ermöglichen. Im Fall eines schädlichen
Anstiegs der Einfuhren aus den Mercosur-Staaten Brasilien, Uruguay,
Paraguay und Argentinien oder eines übermäßigen Preisverfalls für d
ie
EU-Erzeuger sollen damit rasch Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt werden
können. Teil der Einigung ist auch, dass die EU-Kommission eine
Erklärung veröffentlichen wird, in der sie eine stärkere Angleichung
der Produktionsstandards für importierte Produkte zusichert. Italien
wollte nun noch weitere Zugeständnisse.
Landwirte fürchten etwa, dass sie unverhältnismäßiger Konkurrenz au
s
den Mercosur-Staaten ausgesetzt werden, da Bauern dort unter anderen
Bedingungen produzieren können. Tausende demonstrierten deswegen
teils gewaltsam am Donnerstag in Brüssel gegen das Abkommen.
Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die
versuchten, Absperrungen zu durchbrechen. Zudem wurden Brände gelegt,
Pyrotechnik gezündet und Tränengas eingesetzt, wie auf Bildern zu
sehen war. Die Angriffe der Demonstranten mit Kartoffeln und
Feuerwerk richteten sich auch gegen das Europaparlament.
Bestimmte Mehrheit unter EU-Ländern nötig
Damit die EU das Abkommen abschließen kann, müssen im Rat der
Mitgliedstaaten mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen. Zudem gilt
die Hürde, dass diese zusammen auch mindestens 65 Prozent der
Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.
Die EU-Kommission hatte die Verhandlungen über das Abkommen im
vergangenen Dezember trotz andauernder Kritik abgeschlossen. Wenn
Italien dem Abkommen zustimmen würde, wäre aller Voraussicht nach
eine ausreichende Mehrheit vorhanden.
