Zwischen Hoffnung und Skepsis: Bulgarien wird 21. Euro-Land Von Jörn Bender, Elena Lalowa und Katharina Redanz, dpa
27.12.2025 04:00
EZB-Präsidentin Lagarde verspricht Wohlstand, doch fast jeder Zweite
in Bulgarien ist skeptisch: Wird der Euro nicht doch zum «Teuro»? Und
was bedeutet der Beitritt für die anderen Eurostaaten?
Brüssel/Frankfurt/Sofia (dpa) - Die Euro-Familie bekommt Zuwachs: Zum
1. Januar 2026 wird Bulgarien als 21. Mitglied in den Kreis der
Länder mit der Gemeinschaftswährung aufgenommen. In dem Balkanland
gibt es jedoch großen Widerstand - und dann trat nur gut drei Wochen
vor der Euro-Einführung nach Protesten und Korruptionsvorwürfen auch
noch die prowestliche Regierung in Sofia zurück. Bulgarien stolpere
in die Eurozone, kommentierte die spanische Zeitung «El Mundo». Dabei
sehen Befürworter reichlich Vorteile für den Betritt zum gemeinsamen
Währungsraum.
Was bringt der Euro Bulgarien?
EZB-Präsidentin Christine Lagarde als Europas oberste Währungshüterin
verspricht den etwa 6,4 Millionen Bulgarinnen und Bulgaren vor allem
zwei Dinge: Wohlstand und Sicherheit. Fast die Hälfte (45 Prozent)
der Exporte des südosteuropäischen Landes gehen ins
Euro-Währungsgebiet. Künftig fallen bei diesen Geschäften für
bulgarische Unternehmen keine Umrechnungskosten an. Kleine und
mittlere Unternehmen werden nach Angaben der Europäischen Zentralbank
(EZB) allein deshalb jährlich rund eine Milliarde Lewa einsparen.
Zudem profitiere eine kleine Volkswirtschaft wie Bulgarien, in der
fast jeder zweite Arbeitsplatz von der Auslandsnachfrage abhänge, in
einer von ständigen externen Schocks geprägten Welt besonders von
einem größeren Binnenmarkt.
Das bulgarische Finanzministerium und die Nationalbank BNB hatten
geworben: «Der Beitritt zur Eurozone ist eine Möglichkeit, dass
Bulgarien reicher wird.» Der Euro werde dem Fremdenverkehr helfen und
bulgarischen Herstellern den Handel mit Europa und der Welt
erleichtern.
Haben die anderen Euroländer auch etwas davon?
Jedes weitere Land im gemeinsamen Währungsraum erleichtert Handel und
Reisen. Wer in Bulgarien investieren will, muss sich keine Sorgen
mehr um Wechselkurse machen. Zudem wird der Vergleich von Preisen
einfacher, wenn auch in Bulgarien mit Euro bezahlt wird. Touristen,
die etwa die Hauptstadt Sofia oder das Schwarze Meer besuchen wollen,
müssen künftig kein Geld mehr umtauschen und dafür Gebühren zahlen.
Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks
sind nach den EU-Verträgen verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet
beizutreten, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören
Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und stabile
Wechselkurse. Die Inflation zum Beispiel darf nicht aus dem Ruder
laufen, damit der Wert des Geldes gewahrt und seine Kaufkraft
erhalten bleibt. Die Einführung der Gemeinschaftswährung steht noch
in Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn aus.
Was sind die Bedenken der Euro-Kritiker?
Etwa die Hälfte der Menschen in Bulgarien bezweifelt Umfragen
zufolge, dass der Euro sie voranbringen wird. Die Sorge ist groß,
dass mit der Währungsumstellung die Preise in dem Balkanland, das zu
den ärmsten in der EU zählt, steigen werden und der Euro sich als
«Teuro» entpuppt. Und nicht wenige befürchten, dass Bulgarien einen
Teil seiner hart erkämpften Unabhängigkeit aufgeben muss.
Im Land gibt es zudem Widerstand gegen den Euro vonseiten der
prorussischen, nationalistischen Oppositionspartei Wasraschdane
(Wiedergeburt), die im Europaparlament in derselben Fraktion sitzt
wie die AfD.
Steigen die Preise im Zuge einer Währungsumstellung?
«Währungsumstellungen können zu einem vorübergehenden Anstieg der
gemessenen Inflation führen, häufig, wenn Unternehmen ihre Preise
während der Umstellung aufrunden», räumte EZB-Präsidentin Lagarde i
n
einer Rede in Sofia Anfang November ein. Bei entsprechender
Überwachung der Behörden lasse sich Preiswucher aber verhindern.
Bei früheren Euro-Umstellungen lagen die Auswirkungen auf die
Verbraucherpreise nach EZB-Angaben zwischen 0,2 und 0,4
Prozentpunkten. Selbst in Kroatien, das dem Euro-Währungsgebiet zum
1. Januar 2023 zu einem Zeitpunkt beitrat, als die Teuerungsrate
bereits hoch war, habe der Umstellungseffekt etwa 0,4 Prozentpunkte
betragen und schnell nachgelassen.
Ist der Schritt in den Euroraum für Bulgarien tatsächlich so groß?
Bulgarien ist seit langem Teil der europäischen Währungsgeschichte.
Seit 2007 ist das Land EU-Mitglied, seine Nationalwährung Lew ist
aber schon seit 1999 an den Euro gekoppelt - im Verhältnis 1,95583
für einen Euro. Nach einer Finanz- und Währungskrise war der Lew seit
1997 bereits im Verhältnis 1:1 an die D-Mark gekoppelt. «Mit der
Einführung des Euro macht Bulgarien nun den letzten Schritt in
Richtung der Europäischen Währungsunion und nimmt seinen rechtmäßig
en
Platz im Herzen Europas ein», sagt EZB-Präsidentin Lagarde.
Kommt Bulgarien ohne reguläre Regierung in die Eurozone?
Bulgarien wird am 1. Januar den Euro ohne eine reguläre Regierung und
ohne einen Staatsetat für 2026 einführen. Es soll vorerst der
verlängerte Haushalt 2025 gelten. Die erst seit Mitte Januar 2025
amtierende Regierung nahm auf Druck von Protesten zwei
Haushaltsentwürfe für 2026 zurück.
Sollte im neuen Jahr keine Partei in Sofia eine neue Regierung bilden
wollen, wovon Politologen ausgehen, wird Staatspräsident Rumen Radew
ein Übergangskabinett einsetzen müssen, das so lange im Amt bleibt,
bis nach einer Neuwahl eine neue reguläre Regierung steht. Es wäre
die achte Parlamentswahl binnen fünf Jahren.
Die Einführung des Euro galt als Hauptziel der im Dezember
zurückgetretenen Regierung aus Konservativen, Sozialisten und
Populisten. Diese politisch so unterschiedlichen Kräfte bildeten als
Kompromisslösung eine ungewöhnliche Koalition, um nach sieben
Parlamentswahlen eine Neuwahl zu vermeiden.
