Online-Konsultationen in der EU

Stimmt es, dass die EU internetbasierte Anhörungsverfahren anbietet?

Seit 2003 gibt es in der Europäischen Union ein Internet-basiertes Konsultationsverfahren. Damit können Betroffene schon vor der Verabschiedung europäischer Regelungen ihre Ansichten einbringen. Die Einführung der Online-Konsultationen geht zurück auf das Weißbuch „Europäisches Regieren", das die Europäische Kommission im Jahr 2001 vorgestellt hat. Der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi hatte die Modernisierung der Verwaltung und Verbesserung der Gesetzgebung der Kommission zu einem wichtigen Anliegen seiner Amtszeit gemacht.

Die Befragung von Betroffenen und Experten außerhalb der Europäischen Institutionen ist in der EU nichts Neues. Europäische Regeln werden selten von der Kommission alleine entwickelt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Richtlinien und Verordnungen tatsächlich durchführbar sind und Betroffene in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Es gilt das Prinzip, dass sie eine Stimme erhalten, aber nicht entscheiden sollen.

Nach Vorlage des Weißbuchs 2001 zum besseren Regieren wurde ein Aktionsplan erstellt, der unter anderem eine Ausweitung öffentlicher Konsultationen vorsah. In einer Mitteilung von 2002 („Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs - Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission") wurden Mindeststandards für öffentliche Konsultationen festgelegt. Diese sind aber nicht rechtlich verbindlich, sondern eine Empfehlung für die europäischen Institutionen.

Mit den Standards soll gewährleistet werden, dass die Möglichkeiten, Ansichten einzubringen, nicht nur den großen und mächtigen Interessenverbänden zukommen. Erstmals wird es auch Einzelpersonen ermöglicht, an Konsultationen teilzunehmen. In der Praxis richten sich die meisten Befragungen allerdings an Interessengruppen oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Fünf Grundsätze gelten für Konsultationen:

  • Partizipation: bei „großen politischen Initiativen", so die Formulierung der Kommissionsmitteilung, sollen möglichst viele Betroffene die Möglichkeit erhalten, ihre Stimme zu äußern.
  • Offenheit und Verantwortlichkeit: Konsultationsverfahren müssen transparent sein. Die Öffentlichkeit soll klar erkennen, wer beteiligt wird, warum diese Gruppen die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten und wie sie auf den Gesetzgebungsprozess einwirken.
  • Effektivität: Konsultationen sollen zu einem frühen Zeitpunkt erfolgen, damit die eingeholten Meinungen tatsächlich berücksichtigt werden können. Der Umfang der Konsultation soll dem Thema angemessen sein.
  • Kohärenz: Die Kommission trägt dafür Sorge, dass die Ergebnisse der Konsultationen tatsächlich verwendet werden. Dies wird durch besondere Bewertungsmöglichkeiten sicher gestellt, an der die Teilnehmer der Konsultation mitwirken können.

Darüber hinaus wurden Mindeststandards für die öffentlichen Konsultationen definiert:

  • Eindeutiger Inhalt: Hintergrund und Ziele der Konsultation sollen klar beschrieben werden. Auf besondere Ereignisse (Anhörungen, Tagungen) soll hingewiesen werden.
  • Beteiligte Zielgruppen: es soll sichergestellt werden, dass diejenigen Organisationen gehört werden, die von einer Maßnahme betroffen sind oder ein besonderes Interesse an dem Politikbereich haben. Die Auswahl soll möglichst gerecht sein. Kleinere Organisationen sollen nicht benachteiligt werden. In Einzelfällen soll geprüft werden, ob auch Bürger zur Teilnahme eingeladen werden.
  • Veröffentlichung: Ergebnisse sollen sichtbar präsentiert werden, in erster Linie auf der Webseite der Europäischen Union in der Rubrik „Your Voice".
  • Fristen: die Beteiligten sollen ihre Antwort ohne Eile formulieren können. Konsultationen sollen daher in der Regel mindestens acht Wochen dauern.
  • Eingangsbestätigung: die Teilnehmer sollen eine Bestätigung erhalten, dass ihr Beitrag angekommen ist. Die Beiträge werden gesammelt und archiviert. In der Regel werden sie außerdem über das Internet bekannt gemacht.