Terrorismus

Nationale Alleingänge ausgeschlossen

Die Anschläge auf das World-Trade-Center in New York und das Pentagon in Washington am 11. September 2001 haben gezeigt: Kein Land, und sei es noch so mächtig, kann die Bedrohung des Terrorismus alleine bewältigen. Selbst überragende militärische Überlegenheit bedeutet noch nicht Sicherheit. Das Gefühl des Schutzes ja der Geborgenheit, das die nationalstaatliche Souveränität in der Vergangenheit ihren Bürgern geben konnte, ist verschwunden.

Die Ereignisse des 11. September haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wachgerüttelt. Noch im September 2001 hat der Europäische Rat dem Kampf gegen den Terrorismus eine zentrale Rolle in der Politik der EU zugewiesen. Das war keine Selbstverständlichkeit: Denn immer wenn es um Justiz, Strafverfolgung und polizeiliches Handeln geht, bewegt sich die EU im Kernbereich des nationalstaatlichen Handelns ihrer Mitgliedstaaten.

Durchbruch zum gemeinsamen Handeln gegen den Terror
Tatsächlich hat es nach den Anschlägen auf die USA einen bemerkenswerten Schub des politischen Willens gegeben, der auch tatsächlich zu Gesetzgebungsinitiativen führte - von der Durchsetzung eines europäischen Haftbefehls, über die Stärkung der europäische Polizeibehörde Europol bis hin zu einer intensiveren Zusammenarbeit bei der Asyl- und Einwanderungspolitik. So ist im Bereich der europäischen inneren Sicherheit im Herbst 2001 mehr erreicht worden, als in vielen Jahren zuvor. Ziel: Die immer engere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung jeder Form der grenzüberschreitenden Kriminalität, insbesondere des Terrorismus.

Organisierte Kriminalität – vom Drogenbaron bis zum Terroristen – arbeitet schon lange so, als ob es keine Grenzen gäbe. Verbrechen werden in einem Land geplant und vorbereitet, im anderen Land ausgeführt. Der Grenzübertritt schützt in gewisser Weise vor Strafe. Solche grenzüberschreitende Kriminalität lässt sich nur durch grenzübergreifende Zusammenarbeit wirksam bekämpfen.

Der europäische Haftbefehl beschleunigt und vereinfacht, die bislang viel zu komplizierten Auslieferungsverfahren in Europa. Ein Gericht entscheidet nunmehr über den Haftbefehl. Dieser Beschluss ist ohne weiteres die Basis für die Auslieferung des Betroffenen. Der europäische Haftbefehl ist auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur gegenseitigen Anerkennung von Urteilen der Gerichte der Mitgliedstaaten.

Die erste Richtlinie zum Kampf gegen die Geldwäsche aus dem Jahre 1991 war ein wichtiges Instrument im Kampf gegen die Drogenkriminalität. Die 2001 beschlossene zweite Richtlinie erweitert den Begriff der Geldwäsche und bezieht nun ein breiteres Spektrum von Straftaten mit ein. Erträge aus Straftaten und die Gelder der Terrororganisationen können leichter beschlagnahmt und eingezogen werden.

Auch im Bereich der Flugsicherheit wurde schnell gehandelt - von der speziellen Ausbildung der Besatzungen, über die Verbesserung der Gepäckkontrolle bis hin zu Schutzvorkehrungen, die die Piloten vor dem Eindringen ins Cockpit schützen sollen. Für die Umsetzung sorgt eine scharfe Qualitätskontrolle.

Die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union ist ein weiterer Baustein im Kampf gegen den Terrorismus. Im Mai 2002 hat sich der EU-Ministerrat auf eine Liste von gesuchten Terror-Organisationen und Terroristen geeinigt. Sie sollen sich in der Europäischen Union nirgends sicher fühlen können und schon an der Einreise gehindert werden.

Das europaweit einheitlich gestaltete Visum ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Sowohl das Visum als auch die Aufenthaltserlaubnis sollen die Form eigenständiger Dokumente erhalten. Das Europäische Parlament hat durchgesetzt, dass in jedem Visum und Aufenthaltsdokument ein Lichtbild integriert wird. Ende 2005 wird die EU Pässe einführen, in denen biometrische Angaben über Augeniris oder Fingerabdrücke enthalten sind.

Neue Herausforderung in der Außen- und Innenpolitik
In der weltweiten Terrorismusbekämpfung nach dem 11. September ergänzen sich innenpolitische Maßnahmen wie Strafverfolgung, Haftbefehl und Kampf gegen Finanz- und Wirtschaftskriminalität mit außenpolitischen Instrumenten, wie dem Einsatz von Streitkräften und diplomatischen Vorstößen. Die klassischen Aufgabenfelder der Innen- und Außenpolitik durchdringen sich zunehmend. Die Verknüpfung so unterschiedlicher Politikbereiche wird zu den herausragendsten Aufgaben internationaler Politik nach dem 11. September 2001 werden. Für die Europäische Union bedeutet das: Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik gewinnt an Bedeutung, denn die EU sollte im Krisenfall auf das gesamte Instrumentarium der Außen- und Verteidigungspolitik zurückgreifen können. Der Weg hierzu ist allerdings noch weit.

Spätestens am 11. September ist die Vorstellung zerplatzt, eine reiche und eine arme Welt könnten problemlos nebeneinander existieren. Die geistige Auseinandersetzung mit dem Problem der Entwicklungsunterschiede in der Welt, aber auch die Erneuerung des geistigen Dialogs zwischen den großen Weltreligionen und Weltkulturen ist eine mit dem Kampf gegen den Terrorismus eng verbundene Aufgabe.

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
Jeder EU-Bürger kann sich innerhalb der Europäischen Union frei bewegen. Er kann leben, lernen und arbeiten, wo er möchte: Das ist europäisches Bürgerrecht. Diese Chancen der Bürger Europas müssen abgesichert werden. Dazu gehört auch Schutz und Rechtssicherheit für Bürger, die in einem anderen EU-Land reisen oder leben. Die Europäische Union versucht deshalb, ihr Konzept des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts kontinuierlich auszubauen. Durch die engere Zusammenarbeit der Behörden wird ein hohes Niveau an innerer Sicherheit erreicht. Das soll die Bewegungsfreiheit der Bürger nicht behindern, sondern schützen.

Bei ihrem Gipfeltreffen im März 2004 in Brüssel verabschiedeten die EU-Staats- und Regierungschefs eine Erklärung, die ausdrücklich auch den Einsatz nationaler Streitkräfte gegen Terrorangriffe einschließt. Sie reagierten damit auf die Anschläge von Madrid am 11. März 2004, bei denen 190 Menschen getötet wurden. Ein Anti-Terror-Beauftragter soll die Arbeit koordinieren.

Die gemeinsame «Erklärung zur Solidarität gegen Terrorismus» nimmt Bestimmungen des Verfassungsentwurfs vorweg. Sie sieht gegenseitigen Beistand im Falle eines Terrorangriffs, die Abwehr solcher Bedrohungen sowie den Schutz der Bevölkerung und ihrer demokratischen Institutionen vor. Zugleich wird klargestellt, dass jeder EU-Staat «selbst die am besten geeigneten Mittel» zur Hilfe für ein betroffenes Partnerland auswählen soll.

Konkret wollen die Staats- und Regierungschefs unter anderem die Arbeitsmöglichkeiten der europäischen Polizeibehörde Europol verbessern. Ganz oben auf der Liste ihres Maßnahmenpakets steht ein engerer Austausch von Informationen der Polizei- und Justizbehörden und der Geheimdienste. Die bisherige Geheimnistuerei im Umgang mit national gewonnenen Erkenntnissen sei nicht länger zu rechtfertigen, sagte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi.

Als EU-Koordinator für die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung benannte der Gipfel den früheren Staatssekretär im niederländischen Innenministerium, Gijs de Vries.

EU und USA wollen Informationsaustausch gegen Terrorismus verbessern