Grünbuch und Weißbuch: Denkanstöße zur Weiterentwicklung der EU

Wie lange dauert es von der Veröffentlichung eines Weißbuchs zum Gesetz?

Die Europäische Kommission veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen sowohl Grünbücher als auch Weißbücher. Grünbücher sollen auf europäischer Ebene Denkanstöße zu spezifischen Themen liefern. Sie richten sich hauptsächlich an interessierte Kreise, die damit zur Teilnahme an einem Prozess der Konsultation und Debatte auf der Grundlage der im Grünbuch enthaltenen Vorschläge aufgefordert werden. In einigen Fällen geben sie den Anstoß zur Erarbeitung von Rechtsvorschriften, die dann in Weißbüchern erläutert werden.

Die von der Kommission veröffentlichten Weißbücher enthalten Vorschläge für Maßnahmen der Gemeinschaft in einem bestimmten Bereich. Wird ein Weißbuch vom Rat positiv aufgenommen, kann es die Grundlage für ein Aktionsprogramm der Union im betreffenden Bereich bilden. Als Beispiele genannt seien die Weißbücher über die Vollendung des Binnenmarktes (1985) über „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung" (1993) und über europäisches Regieren (2001). In jüngster Zeit wurden durch das Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (2004) und das Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik (2006) wichtige Entwicklungen der Gemeinschaftspolitik angestoßen.

Die EU-Gesetzgebung unterscheidet sich wesentlich von der nationalen Gesetzgebung. Sie ist geprägt durch sehr langwierige Verfahren und eine große Zahl von Akteuren. Was langfristig auf Europäischer Ebene heißen kann, zeigt das Gesetzgebungsverfahren zur "Europa AG", das mit einer Verfahrensdauer von 30 Jahren Rekordhalter ist. Obwohl die Verfahren sehr lange dauern, sind die Zeitfenster zur Einflußnahme auf den Gestaltungsprozess oft sehr klein. Angesichts der kaum vorhandenen europäischen Öffentlichkeit hat sich dabei ein sehr informelles Verfahren entwickelt, das einzelne Interessengruppen dazu zwingt, ständig sehr nah am Geschehen zu sein, ihre Themen genau zu verfolgen.

Wie lange es vom Weißbuch zu einer tatsächlichen Umsetzung in die angestrebte Gesetzgebung dauert, kann man nicht genau sagen. In der Regel sieht ein Weißbuch ein umfangreiches Maßnahmenpaket vor, dass unter anderem zu mehreren Gesetzen führen kann. Dann hängt es davon ab, wann die Europäische Kommission ihr Aktionsprogramm oder einen konkreten Vorschlag für ein Gesetz unterbreitet. Das weitere Vorgehen ist auch davon abhängig, welches Entscheidungsverfahren erforderlich ist und wie dann Parlament und Rat entscheiden. Wenn es - wie oft geschehen - vorkommt, dass seitens der Entscheider Änderungen verlangt werden oder der Vorschlag ganz abgelehnt wird, verzögert sich der Gesetzgebungsprozess. Ebenfalls wenn Konsultationen von zum Beispiel Unternehmen oder Organisationen der Zivilgesellschaft eingeholt werden.

In dem 1985 von der Kommission vorgelegten und vom Europäischen Rat verabschiedeten Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarkt wurde ein Katalog von 282 Vorschlägen und Maßnahmen aufgestellt, durch deren Verwirklichung die den gemeinsamen Binnenmarkt behindernden materiellen, technischen und steuerlichen Schranken beseitigt werden sollen.

Die Einheitliche Europäische Akte 1986 war die logische Folge dieses Weißbuchs. Durch sie wurde ein neuer Artikel 100 A in den EG-Vertrag aufgenommen, der auf Maßnahmen angewendet wird, die auf die Errichtung des Binnenmarkts abzielen. Der Binnenmarkt befindet sich jedoch immer noch in einem ständigen Wandel und muss zahlreichen Herausforderungen begegnen. So kann man sagen, dass der Gesetzgebungsprozess zur Vollendung des Binnenmarktes immer noch nicht abgeschlossen ist.