Unterschiedliches Alter beim Renteneintritt in Deutschland und Österreich

Ich bin 55 Jahre alt und habe von 1960 bis 1979 in Deutschland gearbeitet. Danach bin ich nach Österreich gezogen und war dort bis vor kurzem erwerbstätig. Jetzt bin ich arbeitslos und werde wohl keinen Job mehr finden. In Österreich kann ich zwar eine kleine Rente bekommen, zum Leben würde es aber nur reichen, wenn auch die deutsche Rentenkasse zahlen würde. Nun habe ich erfahren, daß ich meine volle Rente frühestens in fünf Jahren erhalten kann, weil vorher der deutsche Versicherungsträger nicht zahlt. Durch das unterschiedliche Renteneintrittsalter in Deutschland und Österreich werde ich zum Sozialfall. Ist das richtig?

Leider ja. Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer in dem Land versichert, in dem er lebt und arbeitet. Hat man im Laufe seines Berufslebens in mehreren EU-Staaten gearbeitet, so werden die Versicherungszeiten aus den einzelnen Ländern angerechnet. In Ihrem Fall müssen Sie Ihren Rentenantrag in Österreich stellen. Der deutsche und der österreichische Rentenversicherungsträger errechnen dann nach einem komplizierten Verfahren die Höhe Ihrer Rente und zahlen jeweils den Anteil, der Ihnen aufgrund Ihrer Beitragszahlungen aus der nationalen Rentenkasse zusteht.

In der Europäischen Union gibt es also keine einheitlichen Regeln für die Rentenversicherung, sondern ein komplexes System der Verrechnung von Versicherungszeiten. Dabei wendet jedes Land zur Errechnung des entsprechenden Rentenanteils seine eigenen Regeln an. Die deutsche Rentenversicherung interessiert sich nicht für das österreichische Renteneintrittsalter. Sie zahlt vielmehr erst dann, wenn in Deutschland ein Anspruch besteht.

In der Bundesrepublik Deutschland haben Sie aber erst mit der Vollendung des 60. Lebensjahres einen Anspruch auf die gesetzliche Alterversorgung. Durch das „Rentenreformgesetz“ wurden die Möglichkeiten eines frühzeitigen Bezugs der Altersrente eingeschränkt. Die Altersgrenzen für den Erwerb der Rentenzahlungen werden in Deutschland in den kommenden Jahren stufenweise von 60 auf 65 Jahre angehoben. Das bedeutet für Sie: Da Sie 1943 geboren wurden, haben Sie frühestens 2007 einen regulären Rentenanspruch.

Zwar besteht weiterhin die Möglichkeit, die Altersrente schon ab dem 60. Lebensjahr, in Ihrem Fall also ab 2003, zu beziehen. Sie müßten dann aber eine lebenslange Kürzung Ihrer monatlichen Rentenbezüge um 13,5 Prozent akzeptieren. Bis dahin können Sie allein Ihren österreichischen Rentenanspruch geltend machen.

Das von Land zu Land unterschiedliche Renteneintrittsalter ist völlig unproblematisch für den, der zuletzt in einem Land mit vergleichsweise hohem Rentenalter gearbeitet hat. Wer aber zuletzt in einem Land mit niedrigerem Rentenalter gearbeitet hat, bekommt zunächst nicht seine volle Rente ausgezahlt. Der Rentenbetrag kann dann unter Umständen so gering sein, daß der Betroffene Sozialhilfe beantragen muß! Ein Problem, daß viele Arbeitnehmer, die in einem anderen EU-Land tätig sind, zunächst nicht bedenken. Wer einen Arbeitsstellenwechsel ins EU-Ausland plant, sollte sich deshalb unbedingt nach dem Rentenalter des Landes erkundigen, in dem er seine Tätigkeit fortsetzen will!